„Zeigen, was man kann“ – über Standortmarketing und Neuanfang

Von Julia Ures, veröffentlicht am 07. Mai 2018

Herr Wolters, Ihre Wirtschaftsförderunggesellschaft unterstützt vor allem Start Ups: Wie groß erleben Sie das Bewusstsein von Gründern für die Notwendigkeit eines geschickten (Selbst-) Marketings? FW: Das ist sehr unterschiedlich! Mann und Frau sind da genauso unterschiedlich wie in den jeweiligen Branchen, aber insgesamt fällt es vielen Start Ups schwer das Thema Marketing von Anfang an vielversprechend mitzudenken. Da sind in der Beratung deutliche Hinweise nötig. Vielfach muss sich das Selbstbewusstsein für das eigene Gründungsvorhaben erst entwickeln. Was glauben Sie persönlich, was ist wichtiger: die Leidenschaft für die Idee oder die möglichst perfekten Bedingungen? FW: Persönlich für mich: immer die Leidenschaft für die Idee. Aber es gilt: Das Glück muss der Absicht dienen. Etwas mit Leidenschaft zu tun hilft über Durststrecken hinwegzukommen, aber dennoch muss ein Unternehmen gut geplant und permanent nachjustiert werden. Ob es tatsächlich perfekte Bedingungen gibt, kann ich nicht sagen. Aber genau darin liegt die Kunst: Solide planen und dann die Möglichkeiten nutzen.

Zuviel Understatement hilft nicht immer. Man soll schon zeigen, was man kann.

Lieber ein bißchen „blöffen“ oder lieber eher zu tiefstapeln, um dann umso mehr überzeugen zu können? FW: (lacht) Ich komme vom Niederrhein, da ist schon mehr der Bluff angesagt. Aber im Ernst: Zuviel Understatement hilft nicht immer. Man soll schon zeigen, was man kann. Aber Ehrlichkeit und Offenheit sind für mich die besten Argumente. Gehen Gründer eher von ihrer Idee oder eher von einem Bedarf aus? Welches ist hier das richtige Maß...? FW: Die erfolgreichen Gründer gehen von ihren Ideen und Fähigkeiten aus und sondieren auf dieser Basis den Markt und somit den Bedarf für ihr Produkt oder ihre Dienstleistung. Ideen müssen marktfähig sein und dafür gibt es Methoden diese Marktfähigkeit zu testen. Qualität, Leistungsfähigkeit, Preis und Zuverlässigkeit sind dann wichtige Faktoren für die Umsetzung. Wie kann Ihre Wirtschaftsförderungsgesellschaft Unternehmen in ihrem Marketing unterstützen - zu Beginn und später? FW: Zunächst im Rahmen der Gründungsberatung, aber auch darüber hinaus verfügen wir über ein gigantisches Netzwerk und viele Veranstaltungsformate wo sich mögliche Kundenkontakte für Unternehmen ergeben können. Welche Megatrends im Marketing sind aus Ihrer Sicht Eintagsfliegen, welche unausweichlich? FW: Bestimmte Trends, die sich über Social Media ergeben haben, sind sicherlich nicht zwingend auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Marketing muss zum Produkt, zur Dienstleistung und mitunter auch zur Unternehmerpersönlichkeit passen. Präsenz online und offline ist in jedem Fall unumgänglich! Nicht alle Samen von (Marketing-)Ideen gehen auf. Wie merke ich als Unternehmer, wann es Zeit ist, jetzt besonders zu powern -  und wie merke ich, wann es vom "toten Pferd abzusteigen" gilt? FW: Naja, das ist relativ einfach. Wenn der Umsatz ausbleibt, sollte ich meine Strategie überdenken (aber auch über das Produkt, den Preis nachdenken). Es lohnt sich sicherlich zu powern, wenn ich ein gutes Produkt zu einem vernünftigen Preis anbiete und erste Kunden da sind, ich aber spüre, dass der Markt größer ist, nur die Nachfrage noch nicht richtig ins Rollen gekommen ist. Dann sollten die Zielgruppenansprache nachjustiert und nach Möglichkeit alle relevanten Kanäle bespielt werden. Aber es ist natürlich auch eine Frage von Ressourcen und Reserven wie weit ich da gehen kann.

Fachkräfte bekomme ich nicht nur in Industriestädte.

Wenn wir uns Ihren Standort anschauen, so ist festzuhalten: Paderborn mausert sich zum immer interessanteren Standort, ist aber immer noch eher ländlich geprägt. Inwiefern muss Marketing sich an dieses Umfeld anpassen? FW: Das Standortmarketing sollte das bisherige Image aufnehmen und weiterentwickeln. Die Landschaft kann im richtigen Kontext ein wichtiger Baustein sein, der in der Marketingstrategie zu verbauen ist. Wie gesagt, es kommt darauf an, wie ich welche Zielgruppe ansprechen will. Fachkräfte bekomme ich nicht nur in Industriestädte... Inwiefern kann die Unternehmenslandschaft einen Standort mitprägen? FW: Unternehmen bringen sich sehr intensiv ein. Bei uns vor Ort ist "Paderborn überzeugt!" z.B. ein Verein mit zahlreichen führenden Unternehmen aus der Stadt. Dort werden viel gesellschaftliche Themen, Sport, Bildung, Soziales und eben Wirtschaft abgebildet und für Paderborn mitgestaltet. Viele Sportvereine sind auf die regionale Identität der Wirtschaft angewiesen, sodass von der Wirtschaft eine starke Prägung auf die Stadtgesellschaft ausgeht. Der Mittelstand spielt da eine besondere Rolle, und das ist für den Standort sehr wichtig und prägend. Wie groß ist aus Ihrem Erleben beurteilt das Bewusstsein von Unternehmen für die Herausforderungen des Fachkräftemangels? FW: Das Bewusstsein ist alleine aus der aktuellen Not heraus sehr hoch. Es laufen sehr viele Initiativen. Wir wissen aber, wir müssen die Strukturen noch weiter entwickeln um für Paderborn eine bessere Fachkräfteentwicklung zu ermöglichen. Natürlich ist das anderswo ähnlich. Dies gilt in Paderborn speziell für den Bereich der Auszubildenden als auch für das Verbleiben der Studienabgänger und-abgängerinnen. Hier sollten wir neben den technischen Fächern auch verstärkt auf die Kulturwissenschaften genauso wie ausländische Studierende. Die Unternehmen, denen diese Aufgabe bewusst ist: Was tun sie dagegen? FW: Viele arbeiten mit Schulen und den Hochschulen zusammen, das sind sicherlich die effektivsten Möglichkeiten um möglichst früh für das eigene Unternehmen in dem Kontext zu werben. Andere binden sich in unsere Aktivitäten in der Entwicklung der MINT-Berufe im schulischen Bereich ein. Wie attraktiv ist Paderborn aktuell für Fachkräfte von außen? FW: Gerade für die technischen Berufsfelder ist Paderborn sehr interessant. Paderborn hat an sich alles zu bieten was man von einer Großstadt erwarten kann und darüber hinaus noch eine Menge mehr an weichen Standortfaktoren, die im Übrigen im Wettlauf um Fachkräfte zunehmen an Bedeutung gewinnen. Paderborn verfügt über eine Einbettung in eine phantastische Landschaft, ein Sportangebot was es dieser Qualität nur in Millionen-Städten wie Köln oder Berlin gibt. 11 Bundesligavereine in unterschiedlichen Sportarten und freizugängliche Sportarenen für das persönliche Trainingsprogramm. Weiterbildungsangebote in einem großen, sehr interessanten Umfang und ein kulturelles und gesellschaftliches Leben, das offen ist für Menschen, die neu sind in Paderborn. Das war ich ja auch und ich kann definitiv sagen: Es gibt keinen Grund nicht nach Paderborn zu kommen! Bevor Sie nach Paderborn gekommen sind, noch unvoreingenommen waren und sich über die Stadt informiert haben: wie haben Sie da erlebt, dass sich der Standort Paderborn vermarktet hat? FW: Dem ostwestfälischen Naturell entsprechend: zurückhaltend. Und was war dann Ihr tatsächlicher Eindruck vor Ort? FW: In Paderborn sind alle sehr aktiv. Verein, Netzwerke, Veranstaltungen, Kooperationen und und und. Ich habe selten eine so aktive Stadtgesellschaft kennengelernt, die gleichzeitig so offen ist und neue Menschen einlädt mitzumachen. Das ist das Tolle hier! Es dauert ein klein wenig länger, aber dann ist es herzlich und vor allem völlig ehrlich gemeint. Mir ist öfter der Satz begegnet: "Der passt zu uns, der gehört hier her!" Das hat mich sehr gefreut. Wie sollte sich der Standort in Zukunft vermarkten? FW: Da wir das Thema Digital-Wirtschaft vorantreiben sollen, dürften wir in dem Kontext mehr Selbstbewusstsein in die Welt tragen. Paderborn hat hier mehr zu bieten als viele größere Städte im Bundesgebiet und muss sich nicht verstecken. Im Gegenteil: Wir möchten Paderborn für diese Wirtschaftsfelder stärker profilieren um Unternehmen, Fachkräfte, Forschungskooperationen für Paderborn zu gewinnen. Wir haben gerade damit begonnen. Frank Wolters, danke für das Gespräch.

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Julia Ures

ist zuständig für die Betreuung der Print- und Online-Kanäle von ams - Radio und MediaSolutions. Sie kümmert sich um die Pressearbeit für die Lokalradios in Ostwestfalen-Lippe und im Kreis Warendorf, ist ausgebildete Hörfunkredakteurin und Moderatorin.