Was ist eigentlich TikTok?

Von Stephanie Peter, veröffentlicht am 11. Februar 2020

TikTok startete vor einigen Jahres als Karaoke-Plattform namens „musical.ly“ und wurde dann vom chinesischen Internetriesen ByteDance gekauft. Aus musical.ly wurde TikTok und die Erfolgsstory begann.

Wie funktioniert´s?

Bei TikTok besteht der Content aus Kurzfilmen, die mit Musik hinterlegt sind und geteilt werden. Anfangs (auch noch unter dem Namen musical.ly) ging es hauptsächlich darum lippensynchron Lieder mitzusingen, also wie in der Mini-Playback-Show oder einer digitalen Karaoke. Mittlerweile werden Videos aller Art gedreht und es gibt diverse Challenges oder thematische Videos, z.B. zu Hashtag-Kampagnen, die sich viral verbreiten. Der Versandhandel Otto hat beispielsweise mit der Hashtag-Challenge #MachDichZumOtto Aufsehen erregt, in der es darum ging, sich in einem TikTok Video selbst zu veralbern, also zum „Otto zu machen“. Die Zielgruppe ist dabei so jung, wie in keinem anderen sozialen Netzwerk: 67% der User sollen unter 24 Jahre sein. Dabei ist die Community hauptsächlich weiblich. Vor allem Teenies zwischen 12 und 16 Jahren werden bei TikTok kreativ und laden die mit Musik hinterlegten Videos hoch.

Weltweit hat TikTok mittlerweile 800 Mio. Nutzer, davon 5,5 Mio. in Deutschland. Allein eine Million sind 2019 in Deutschland hinzugekommen. Bei diesem rasanten Wachstum ist es eine Frage der Zeit bis TikTok zu Facebook, YouTube und Co. aufschließt. Durchschnittlich verbringen User 50 Minuten täglich in der App. Dabei liegt das durchschnittliche Engagement bei 11%, das ist drei Mal so viel, wie bei Instagram.

Das macht es besonders – positiv wie negativ

TikTok hebt das Thema Selbstdarstellung auf ein neues Level. Schließlich werden nicht mehr nur Fotos und Selfies gezeigt, wie bei Instagram. Nein, es dreht sich alles um die Kreation von Videos – und dafür ist enorm viel Kreativität gefragt. Im Gegensatz zu Instagram darf dabei allerdings auch mal etwas daneben gehen; lustig sein. Es ist nicht alles perfekt inszeniert.

TikTok funktioniert zudem international. Es gibt keine Sprachbarrieren, da in den Videos nur über Musik und nicht mit Sprache gearbeitet wird. Eine schöne Eigenschaft, die Länder und Communities verknüpfen kann.

Trotzdem hatte TikTok zuletzt mit einigen Vorwürfen zu kämpfen, gerade im Hinblick auf Diskriminierung: Das Unternehmen hat zugegeben Videos von dicken Menschen oder Menschen mit Behinderung in der Reichweite eingeschränkt zu haben. Laut eigener Aussage als „Mobbing-Prävention“. Mittlerweile sei diese Praxis wohl abgeschafft. Dennoch hängt diese negative Berichterstattung dem Netzwerk nach und es wird immer wieder auch mit politischer Zensur konfrontiert.

Werbung auf TikTok

Bei den oben genannten Zahlen ist es nur logisch, dass es nicht lange dauert, bis die ersten Marketer auf TikTok aufmerksam werden und Werbung platzieren möchten. Seit 2018 ist das tatsächlich möglich, vorher war die App komplett werbefrei. Die meisten Unternehmen experimentieren derzeit noch auf TikTok, da eine ganz andere Nutzungslogik als bei anderen Netzwerken zugrunde liegt. Es wird zwar auch geliked, kommentiert und gefolgt, allerdings gibt es einen anderen Algorithmus, der darüber entscheidet, welche Inhalte dem User angezeigt werden. Der Feed sieht anders aus als gewohnt und Story-Formate gibt es auch nicht, da das ganze Netzwerk sowieso schon aus kurzen Musikvideos besteht. Außerdem herrscht noch extreme Intransparenz bei den Userzahlen. Seit Ende 2018 hat TikTok ein Büro in Deutschland und die Werbung auf der Plattform befindet sich hierzulande weiterhin im Aufbau.

Für viele ist TikTok noch eine „Blackbox“, da präzise Angaben zur Nutzerstruktur und -verhalten fehlen. Das lässt entsprechende Targeting-Optionen vermissen und bremst so auch die Werbebereitschaft. Ländern wie Frankreich und den USA ist es bereits möglich Anzeigen über eine Selbstbuchungsplattform, ähnlich wie dem Facebook Werbeanzeigenmanager, zu schalten. Hierfür gibt es ebenfalls einen TikTok Pixel, der analog zum Facebook Pixel funktioniert und Monitoringdaten liefert.

Dennoch haben auch in Deutschland Unternehmen wie Otto schon erfolgreiche TikTok Kampagnen umgesetzt. Der Versandhandel ist damit einer der „First Mover“ im TikTok-Advertising. Otto hat die Hashtag-Kampagne #MachDichZumOtto gestartet und innerhalb von sechs Tagen 60.000 Videos mit dem Branded Hashtag geerntet. Auch Punica konnte mit dem Hashtag #PunicaDance 40 Mio. User erreichen. In dem Netzwerk ist Kreativität ganz wichtig, um viral erfolgreich zu sein. Nur so funktionieren die Challenges und die Videos verbreiten sich entsprechend, sodass ein Anstoß zu neuen Videos geliefert wird. Außerdem sollte das Format 100%ig auf die junge Zielgruppe zugeschnitten sein, damit das Potenzial ausgeschöpft werden kann. So ist es kein Wunder, dass der Unterschied zwischen Werbung und User Generated Content im Feed kaum zu erkennen ist. Stichwort: Native Advertising.

Selbst die Tagesschau ist mittlerweile bei TikTok aktiv und testet, wie sie bei der jungen Zielgruppe ankommt. Das funktioniert mit derzeit ca. 120.000 Followern gut, gerade im Hinblick auf die Zielgruppe. Wichtig ist eine ganz andere Art der Herangehensweise. Dafür darf auch nicht einfach der Content von Instagram verlängert werden. Die Inhalte und Videos müssen komplett neu gedacht und umgesetzt werden, um bei TikTok erfolgreich zu sein.

Die erwähnte junge Zielgruppe ist für viele Unternehmen allerdings auch ein Problem. Sie ist nämlich einfach zu jung. Die App ist ab 13 Jahren zugelassen und es tummeln sich dennoch sehr viele noch jüngere User dort. Die Zielgruppe ist laut offizieller Aussage die Generation Z (bis 25 Jahre), aber auch das ist für viele Unternehmen noch zu jung. Die Kaufkraft in dieser Zielgruppe rechtfertigt den Aufwand schlicht nicht.

Influencer bei TikTok

Schon jetzt gibt es diverse Influencer auch bei TikTok, darunter eine Vielzahl von Mikro-Influencern. Aber auch die Anzahl an Makro-Influencern wächst stetig. „Die Influencer kreieren virale Hits, Hashtag-Challenges und viele Live-Streamings für die User“, so der Goldmedia Trendmonitor 2020. Dabei wachsen die Influencer vor allem bei TikTok selbst. Lisa und Lena sind zum Beispiel durch musical.ly und TikTok bekannt geworden und haben danach erst zu Instagram gewechselt. Unternehmen sollten dies bedenken, wenn sie Influencer Marketing bei TikTok betreiben wollen. Marken nutzen häufig Influencer, die bereits eine große Community haben und das Netzwerk kennen. Mit Promis oder Influncern aus anderen Netzwerken kommen Unternehmen wohl nicht sonderlich weit. „Werbefiguren wie Lionel Messi oder Beyoncé [sind] eher unpassende Gesichter für die Zielgruppe und das Netzwerk. Ein Lionel Messi ist zwar ein bekanntes Testimonial, aber sicherlich nicht besonders kreativ und innovativ in seiner Darstellung."

Auch Otto nutzte für seine Kampagne TikTok-Influencer, die sogar am Konzept mitarbeiteten und wertvolle Erfahrungen teilen konnten.

TikTok – der Social Media Trend in 2020?

Mein Tipp: Schauen Sie sich TikTok am besten erstmal privat an und verstehen Sie die Zusammenhänge und Funktionsweisen der App. Denn TikTok wird auf jeden Fall weiter „ein Ding“ bleiben, auch in 2020. Wenn Sie also eine junge Zielgruppe erreichen wollen, könnten Sie überlegen, TikTok in Ihren Marketing-Mix mit aufzunehmen. Noch können Sie Kampagnen auch relativ günstig schalten, da derzeit noch wenige Unternehmen den Schritt gewagt haben. Das liegt vor allem auch an den Vorwürfen, dass politische Inhalte entfernt würden, wenn sie der chinesischen Regierung missfielen. Das Umfeld wird auch für Marken immer wichtiger und viele möchten das Risiko nicht eingehen ihr Image durch Werbeplatzierungen bei TikTok zu gefährden. Wiederum sind auch Big Player wie Otto und die Tagesschau erfolgreich dabei. Das muss also jedes Unternehmen für sich selbst abwägen.

Die Transparenz von TikTok hinsichtlich Insights und Statistiken, lässt allerdings noch zu wünschen übrig, sodass sie vor allem im deutschsprachigen Raum etwas „ins Dunkle“ werben. Cases wie die von Punica und Otto zeigen aber, dass eine gute Idee dennoch erfolgreich sein kann.

Vor allem für Employer Branding und Recruiting kann TikTok 2020 an Bedeutung gewinnen. Die junge Zielgruppe und somit auch Young Proessionals tummeln sich auf der Plattform – die Chance an die jungen Arbeitnehmer heranzutreten. Sie sollten dabei eine kreative Idee und passende Landingpage nutzen, damit Ihnen die potenziellen Bewerber nicht direkt wieder abspringen.

Marius Jansen von der Influencer Agentur Social Match stellt bei LinkedIn sogar die These auf, dass TikTok den Musikmarkt bzw. Musikstreamingmarkt revolutionieren kann. Die App basiert unter anderem auf der Musik, die hinter den Videos liegt. Bringen Künstler vielleicht sogar bald eigens für die App optimierte Songs heraus? Schon jetzt gibt es Lieder, die allein durch die App bekannt geworden sind – und dadurch in den Spotify Charts erfolgreich wurden. Das macht das Modell lukrativ für die Künstler.

Ich stelle die These auf, dass TikTok 2020 von vielen Marketern entdeckt und erobert wird. Das Unternehmen wird selbst an seiner Transparenz arbeiten und so auch viele Werbetreibende zu sich locken. Angelockt wird dann wahrscheinlich auch wieder die ältere Generation bzw. die Eltern der derzeitigen User. Bis diese flüchten. Also muss ein neues Netzwerk her, was dann auch erst wieder niemand versteht. Sie kennen das…

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Stephanie Peter

ist Content Managerin in einem Verband für die Möbelindustrie. Nach zwei Jahren als Social Media Managerin bei der Dr. Wolff Gruppe, widmet sie sich nun neuen Herauforderungen. Zuvor studierte sie Medienkommunikation & Journalismus (BA) sowie Crossmedia & Communication Management (MA) in Bielefeld. Währenddessen war sie als Aushilfe als Redaktionsassistentin bei Radio Bielefeld und in der Digitalabteilung von ams - Radio und MediaSolutions tätig. Ihr Interesse gilt vor allem der Presse- und PR-Arbeit und allen Trends rund um soziale Netzwerke.