Warum sich KMU mit Qualitätsmanagement beschäftigen sollten

Von Sylvia Homann, veröffentlicht am 07. Mai 2019

Wenn ich gefragt werde, wofür man eigentlich Qualitätsmanagement einführen sollte in einem Unternehmen, dann könnte ich stundenlang philosophieren: über die Schönheit strukturierter Prozesse, über die Sinnhaftigkeit regelmäßiger Analyse oder die Freude, die in einem effizienten und effektiven Meeting entsteht. Weil ich schon jetzt spüren kann, dass Sie gerade ungläubig mit den Augen rollen, nenne ich aber einfach mal eine nackte Zahl: 40 Prozent.

Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass wir 40 Prozent unserer täglichen Arbeitszeit schlicht und einfach verschwenden. Weil wir zum Beispiel irgendetwas suchen, was wir mal irgendwo abgespeichert oder irgendwo hingestellt haben. Weil wir auf irgendetwas oder irgendjemanden warten. Oder weil wir Dinge korrigieren müssen, an die wir vorher nicht gedacht haben. 40 Prozent unserer Arbeitszeit. Rechnen Sie das mal hoch auf Ihre Lebensarbeitszeit. Und dann überlegen Sie außerdem, was Ihr Unternehmen alles schaffen und leisten könnte – mit 40 Prozent MEHR Arbeitskraft. Zum gleichen Preis…

Mind the GAPZ!

Und zack! Sind wir beim Qualitätsmanagement. Gut gemachtes Qualitätsmanagement ist keine zusätzliche Belastung für eine Firma, sondern eine große Hilfe. Die Betonung liegt dabei auf „gut gemacht“. Zu oft entscheiden sich Unternehmen für eine „Quick-and-Dirty“-Lösung, weil sie einen Zertifizierungs-Stempel haben wollen oder brauchen. Dann reduziert sich Qualitätsmanagement tatsächlich auf die notwendigen Dokumentationen und wird vermutlich ätzend für alle Beteiligten. Begreift man dagegen Qualitätsmanagement als grundlegendes Mindset, eröffnen sich ganz andere Welten: Optimierte Prozesse, neuer Spaß an der Arbeit und eine neue Art der Qualität im Produkt.

Die Autoren des Buches „Qualität managen“ (erschienen im Februar 2019 im Springer-VS) haben dafür eine Formel kreiert: „Mind the GAPZ.“ Das GAPZ ist dabei nicht die (falsche) Mehrzahl der Bahnsteig-Spalten der Londoner U-Bahn. Vielmehr steht jeder Buchstabe des GAPZ für einen zentralen Baustein guten Qualitätsmanagements. Zusammen verhindern diese Bausteine, dass Sie über die Stolperfallen der täglichen Arbeit stürzen.

  • G für: Ganzheitlich denken
  • A für: Aenderungen gestalten
  • P für: Prozesse leben
  • Z für: Ziele definieren

Ganzheitlich denken
Ganzheitlich denken bedeutet, dass Sie bei der Beschäftigung mit Qualitätsmanagement über kurz oder lang lernen werden, nicht mehr linear zu denken und zu handeln, sondern dass Ihnen ein ständiger Kreislauf von „Planen-Handeln-Überprüfen-Verbessern“ in Fleisch und Blut und Hirn übergeht. (Wenn Sie googeln möchten: „PDCA-Kreislauf“) Sie werden überdies gar nicht mehr anders können, als bei Entscheidungen und Handlungen auch immer gleich mitzudenken, welche Schnittstellen zu anderen Personen oder Prozessen es gibt und was es bedeutet, wenn Sie an dieser oder jener Stellschraube etwas verändern. Ihr Gewinn: Die Arbeitslabläufe in ihrem Unternehmen werden regelmäßig gestrafft und optimiert. Neue Abläufe bringen trotzdem den Rest nicht aus dem Tritt.

„Aenderungen gestalten“
Aenderungen gestalten ist das Plädoyer dafür, sich nicht seufzend den „immer rasanter werdenden Veränderungen“ Ihrer Branche auszuliefern oder hinterherzurennen, sondern sich aktiv mit diesen zu beschäftigen. Haben Sie den Mut anzuerkennen, dass Änderungen und Veränderungen ein natürlicher und unentbehrlicher Teil eines jeden Systems sind. Gestalten Sie notwendige Änderungen, indem Sie sich unermüdlich damit auseinandersetzen, was Ihr Unternehmen braucht, um in Zukunft weiter erfolgreich zu sein. Oder womöglich noch erfolgreicher zu werden. Ihr Gewinn: Zukunftsfähigkeit und das gute Gefühl, die kommenden Entwicklungen und Herausforderungen sehenden Auges in der Hand zu haben. Das gilt sowohl für den Markt, als auch zum Beispiel für Ihre Mitarbeitersituation.

Prozesse leben
Prozesse leben heißt, dass Prozesse nicht nur einmal vereinbart und aufgeschrieben werden – und dann in der Schublade verschwinden oder auf der Festplatte verstauben. Definierte Prozesse sind das wichtigste Element einer vernünftigen Arbeitsorganisation. Sie gemeinsam zu vereinbaren und wie vereinbart durchzuführen, sorgt für eine gleichbleibend gute Qualität Ihrer Produkte. Prozesse unterliegen aber auch, wie alles andere in einem lebendigen System, Änderungen und Veränderungen. Deswegen wollen sie immer wieder angefasst, verändert und damit angepasst werden. Always touch a running system! Ihr Gewinn: Definierte und eingehaltene Prozesse geben Ihnen und ihren Beschäftigten Sicherheit. Neue MitarbeiterInnen sind sehr schnell und fehlerfrei eingearbeitet.  

Ziele definieren
Ziele definieren ist deswegen so wichtig, damit Sie und ihr Team wissen, wo die Reise hingehen soll und wieviel der Wegstrecke Sie schon zurückgelegt haben. Ziele sind nicht nur Verkaufszahlen oder Umsatzsteigerungen. Alles, was wir bei der täglichen Arbeit tun, sollte ein Ziel verfolgen – und jeder sollte wissen, was das für ein Ziel ist. Wenn das Team die gemeinsamen Ziele kennt, dann liegt der Weg dahin für jeden einzelnen Mitarbeiter oft schon ganz klar auf der Hand. Ziele zu definieren bedeutet, ganz klar vor Augen zu haben, wohin man will. Ihr Gewinn: Das ganze Team zieht an einem Strang. Wer sein Ziel kennt, der weiß in der Regel genau, wie weit es dahin noch ist und ob die Richtung stimmt.

Uff. Das alles klingt nach einer Menge Arbeit. Und ja – natürlich lässt sich Qualitätsmanagement in einem Unternehmen nicht implementieren, ohne zumindest Arbeitskraft und Arbeitszeit zu investieren. Aber erstens müssen Sie ja nicht alles alleine machen. Suchen Sie sich Mistreiter in der Firma und eine gute Beraterin oder einen guten Berater, der mindestens in der Anfangsphase an Ihrer Seite ist. Achten Sie darauf, dass die Beratung individuell auf Sie und Ihr Unternehmen zugeschnitten ist und Sie keine Lösung von der Stange bekommen.  Zweitens können Sie ganz klein anfangen. Schon kleine Veränderungen haben oft einen großen Effekt, der Lust auf mehr Qualitätsmanagement und mehr Verbesserung macht. Drittens ist es schlicht und einfach den Aufwand wert. Denken Sie daran, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen mit Fachkräftemangel zu kämpfen haben und in Zukunft noch mehr zu kämpfen haben werden. Wer seinen Beschäftigten da die besten Strukturen, die angenehmsten Arbeitsbedingungen und den meisten Spaß bieten kann, steht in der Gunst der Umworbenen ganz weit oben. Denken Sie außerdem an die oben erwähnten 40 Prozent vergeudeten Potentials! Mit gut gemachtem Qualitätsmanagement können Sie eine Menge Zeitverschwendung in mehr Zeit für Ideen, Innovationen und Verbesserungen umwandeln und sich so gegen die Konkurrenz behaupten.

Oder um es mit William Edwards Deming, dem Pionier des modernen Qualitätsmanagements, zu sagen: „Wir können entweder etwas gegen unsere Probleme unternehmen oder Alles beim Alten lassen.“

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Sylvia Homann

war fast zwei Jahrzehnte Radio-Moderatorin bei Radio Hochstift in Paderborn und ist seit einigen Jahren zertifizierte Qualitätsmanagerin nach der Norm ISO 9001:2015. Sie berät u. a. Dienstleistungsunternehmen und Bildungseinrichtungen in Sachen Kommunikation, Qualitätsmanagement und Arbeitsorganisation. Darüber hinaus bietet sie auch Workhops und Inhouse-Schulungen an – zum Beispiel zu den Themen Kundenorientierung, gute Führung, Leitbild und Kommunikation. Im Frühjahr 2019 hat sie gemeinsam mit drei anderen Autoren ein Buch über Qualitätsmanagement für Medien geschrieben: „Qualität managen. Das ISO-Handbuch für Kreative in Medien.“ In ihrem Podcast "QM-Quickie" geht's um kleine und einfache Methoden für eine bessere Arbeitsorganisation. Sie ist zudem Teamleiterin Moderation bei HR1 in Frankfurt am Main.