Start Up trifft Tradition – die „Hinterland of Things“-Konferenz

Von Barbara Kawa, veröffentlicht am 15. Februar 2018

Eine „Makers Conference“ in Ostwestfalen– klar, dass dafür der Name Hinterland gewählt wurde, so dachte sich manch einer. Aber schon bei der Begrüßung klärte Sebastian Borek, Geschäftsführer der veranstaltenden Founders Foundation, auf: Aus dem Englischen übersetzt bedeute Hinterland Ressourcen. „Das ist die Substanz, nicht die Periferie“, so Borek, und kündigte direkt an: „Diese Region hat eine unglaubliche DNA. Heute geht es darum groß zu denken, verrückt zu denken!“.
Moderator Amiaz Habtu, bekannt aus die Höhle der Löwen, setzte noch einen drauf: „OWL ist der 4.0 Hotspot von Deutschland“.

„Es ist nichts mehr unmöglich.“

Und wer sich nun auf ein paar ruhige Vorträge mit Flipchart eingestellt hatte, der wurde eines Besseren belehrt. Philipp Siefer von Einhorn condoms eröffnete die Konferenz unter dem Motto „Unfuck The Economy“. „Kultur statt Struktur“ legte er den großen aller Branchen ans Herz und stellte klar: „Das Argument >Weil wir das schon immer so gemacht haben< gibt es nicht“. Start Ups und Mittelstand seien sich in seinen Augen sehr ähnlich, z.B. darin, dass viel in Beziehungen gedacht wird.
Wichtige „Take Aways“ gab er aus seinem Chefsesseltausch mit der Wiener Brauerei Ottakringer mit auf den Weg. Der Einhorn-CEO hatte eine Woche lang Position und Verantwortung mit dem Geschäftsführer der Brauerei - mit übrigens über 170 Mitarbeitern und 90 Millionen Jahresumsatz - getauscht. Neben lustigen Anekdoten („Er bekam mein Fahrrad, ich seinen Fahrer“), analysierte Siefer, was im Mittelstand oft schiefläuft. So gebe es wie bei Ottakringer häufig eine solide Marke, die aber nicht strahlt. Auch Nachhaltigkeit sei oft schon lange ein Thema, sie werde aber nicht nach außen getragen und eingesetzt. Sein Fazit: Unternehmen sollten viel öfter Dinge angehen, die eigentlich unmöglich scheinen. Einfach mal machen. In verschiedenen Panels diskutierten dann Geschäftsführer, Unternehmer und Experten. Immer im Fokus: Die Zukunft. Innovation, Revolution, neue Technologien und Vorgehensweisen - das waren die Gesprächsthemen. Albert Christmann von Dr. Oetker, Maximilian Viessmann vom gleichnamigen Unternehmen und Christian Miele von e.ventures sinnierten beispielsweise über „Rocket Mittelstand“. Tenor: Was Berlin als Gründerregion ausmacht und was Ostwestfalen gut kann, das muss zusammengebracht werden. Dann gibt es einen echten Vorsprung.

„Geschäftsmodelle müssen jetzt umgestellt werden.“

Und während sich in der kleinen Halle des Ringlokschuppens Start Ups mit ihrem Messestand aufbauten, erklärte Chris Boos auf der großen Bühne wie „der Mittelstand in Deutschland das Silicon Valley überholen kann“. Boos gilt als Pionier der Künstlichen Intelligenz, seit 22 Jahren beschäftigt er sich damit. Unser Denken in Deutschland über die wichtigen Player im Silicon Valley sei folgendermaßen: „Die Großen wie Google sind böse und wollen in unseren Markt eindringen“. Aber eigentlich, so sagt Boos, gehen diese Konzerne wichtige Probleme an. Das Problem scheint die Sichtweise zu sein. Wir sagen: „Der Konsument wird entmündigt“, die sagen: „Wir denken für den Kunden, damit es gut ist“.
Neben einer starken Marke und dem Schaffen von Innovationen empfiehlt Chris Boos den Unternehmern eine Rückkehr zum Service. Und zwar von Mensch zu Mensch. Sein plakativstes Beispiel ist das Verschwinden von Bankschaltern. Denn auch hier kommt es auf die Sichtweise an. Boos: „Nicht der Bankautomat ist besser, sondern der Schalter wurde so schlecht gemacht, dass wir lieber zum Automaten gehen!“. In Deutschland versuchten wir häufig etwas nachzumachen, was es schon gibt. Dabei, so ist sich Chris Boos sicher, kann der deutsche Mittelstand mit den großen Playern konkurrieren. Denn niemand habe alle benötigten Daten für neue Geschäftsmodelle, die z.B. mit Künstlicher Intelligenz funktionieren. Die Industrie sollte also erkennen, dass Daten untereinander geteilt werden müssen. Sie werden seiner Prognose nach somit zukünftig zu einem handelbaren Gut.
Unternehmen, die also schon eine Wissensbasis haben, hätten einen gigantischen Vorteil. Nämlich den „Frag jemanden, der es schon weiß“-Vorteil, der zu 95% schneller und effektiver ist, als die Google-Vorgehensweise „Lernen durch Beobachten“.

„Wenn man eine gute Idee hat, darf man jederzeit starten.“

Neben den ganz Großen, standen aber auch die – nicht kleinen – aber zumindest noch nicht so lange am Markt bestehenden Start Ups im Fokus der Konferenz. Junge Unternehmen wie valuedesk, Zahnarzthelden oder matchmetrics erklärten ihr Portfolio oder pitchten um neue Investoren. Auch hier gab es spannende Panels rund um die Themen Gründung und erste Schritte, Herausforderungen und worauf es aus Sicht von Business Angels ankommt. So erzählt Mike Cacic, Inhaber der Ravensberger Brauerei aus Bielefeld, wie er im Wohnzimmer angefangen hat zu brauen und seine ersten Flaschen, noch ohne Etikett und Plan in den Supermarkt nach nebenan geschleppt hat, um sie zu verkaufen. Heute läuft das Geschäft.
Und Ingo Ballschmieter, Erfinder des Smartdrinks yourdaily, gibt Neu-Gründern mit auf den Weg: „Ich habe mindestens 50 Mal gehört, dass sich mein Produkt nicht umsetzen lässt. Mein Tipp: Wenn ihr so ein Produkt habt, dann macht es auf jeden Fall!“ Bei dieser Kampfansage fühlte sich der ein oder andere sicher in den Vortrag von Einhorn-CEO Philip Siefer zurückversetzt. Zu Recht, möchte man sagen. Wer einfach macht, hat Erfolg, so scheint es.
Ob die Gründung seines Unternehmens GinLossie seine beste Idee war, beantwortet Marcel Lossie ebenfalls scheinbar unaufhaltsam: „Das weiß ich in ein paar Jahren, wenn ich die nächste Idee habe!“. Es bleibt also festzuhalten, dass die Region Ostwestfalen sich im Start Up-Sektor nicht zu verstecken braucht. Dass der Mittelstand hier sehr starke Vorteile hat. Und dass die Founders Foundation aus Bielefeld eine hochprofessionelle und spannende Konferenz auf die Beine gestellt hat. Mit am Ende rund 500 Gästen und Besuchern resümiert Founders Foundation-Geschäftsführer Sebastian Borek: „Ich glaube, wir haben einen Nerv getroffen.“ Und schon jetzt wird über eine Fortsetzung im nächsten Jahr nachgedacht.

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Barbara Kawa

ist Online-Redakteurin und Social Media Managerin bei ams - Radio und MediaSolutions und beschäftigt sich mit allen Themen im und rund ums Web.