Social Media Guidelines: Worst Cases

Von Kristina Grube, veröffentlicht am 03. November 2016

Marketing in Westfalen: Was sind „Social Media Guidelines“?

Inga Höfener: Social Media Guidelines sind Leitlinien und Regelungen für die unternehmensbezogene Nutzung sozialer Netzwerke. Sie dienen zwei Funktionen: zum einen bieten sie Mitarbeitern allgemeine Leitlinien für das Verhalten in sozialen Netzwerken, andererseits handelt es sich um eine verbindliche Vereinbarung zur Unternehmenskommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Teil des Arbeitsvertrages. Social Media Guidelines dienen dem Schutz des Unternehmens und der Mitarbeiter vor den Folgen unkontrollierter Kommunikation.

Marketing in Westfalen
: Warum sind diese aus rechtlicher Sicht wichtig?

Inga Höfener: Aus rechtlicher Sicht gibt es viele Gründe, warum Social Media Guidelines für Unternehmen geradezu zwingend sind. Dazu zählen insbesondere das Arbeitsrecht, das Datenschutzrecht, Persönlichkeitsrechte, das Urheberrecht, der Schutz von Betriebsgeheimnissen sowie das Marken- und Wettbewerbsrecht.

Ohne Social Media Guidelines gelten zunächst die allgemeinen arbeitsvertraglichen Bedingungen. In vielen – gerade älteren – Arbeitsverträgen finden sich aber zum Thema Social Media und Internet gar keine Regelungen. In anderen Verträgen ist die private Internetnutzung für Mitarbeiter untersagt. Sofern im Arbeitsvertrag nichts über die private Internet/Social Media Nutzung geregelt ist, ist diese grundsätzlich verboten und kann Grund für eine fristlose Kündigung sein. Führt das Unternehmen dann Social Media als Werbe- und Kommunikationstool ein, kann es bei den Mitarbeitern zu Unsicherheiten kommen, da die Nutzung von Social Media dann möglicherweise mit den arbeitsvertraglichen Vorschriften kollidiert.

Auch wenn Unternehmen es über längere Zeit dulden, dass Mitarbeiter entgegen der Vorschriften im Arbeitsvertrag während der Arbeitszeit das Internet und Social Media nutzen, ist Vorsicht geboten. Nimmt die private Nutzung dann Überhand, kann das Rad vielfach nicht mehr zurück gedreht werden, da die private Nutzung von Social Media zur sogenannten „betrieblichen Übung“ geworden ist. In der Folge kann die private Nutzung während der Arbeit nicht mehr als (fristloser) Kündigungsgrund angeführt werden. Wie viel Arbeitszeit dann bei Facebook & Co. verdaddelt wird, kann sich jeder vorstellen – welche Kostenfolge das für das Unternehmen hat, sollte sich jeder Unternehmer ausrechnen können. In Social Media Guidelines geht es insbesondere darum, was von wem in welche Weise und wann im Namen des Unternehmens gepostet wird.

Gibt es im Unternehmen keine Regelungen darüber, besteht das Risiko, dass Betriebsinterna oder gar Betriebsgeheimnisse öffentlich ausgeplaudert werden, Urheberrechte an Bildern oder Filmen verletzt werden oder gar Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt werden. Das kann für ein Unternehmen extrem negative Konsequenzen haben, da das Unternehmen für das Handeln seiner Mitarbeiter haftet.

Gibt es keine Regelungen darüber, wer was im Namen des Unternehmens posten darf, ist das Risiko von Betriebsspionage nicht zu vernachlässigen. Dies gilt im Übrigen auch für den privaten Bereich im Rahmen des sogenannten „social engineerings“. Dabei werden Mitarbeiter von Unternehmen über private  Fake-Profile auf Social Media Plattformen kontaktiert und über gezielte und geschickte Fragestellungen über Betriebsinterna und –geheimnisse ausgefragt. Auf diese Gefahr müssen Mitarbeiter immer wieder hingewiesen werden, auch wenn sie sich nur privat in sozialen Netzwerken bewegen.

Marketing in Westfalen: Dann haben Guidelines auch rechtlich gesehen ein hohes Gewicht für Unternehmen?

Inga Höfener: Genau. Da wirksam vereinbarte Social Media Guidelines verbindliche Regelungen sind, können dort verankerte, betriebsinterne Sanktionen auch gerichtsfest sein. Das bedeutet, dass auch ein Gericht in Social Media Guidelines verankerte Sanktionen für Fehlverhalten von Mitarbeitern als bindend erachtet.

So gab es z.B. einen Fall, in dem ein Mitarbeiter kontinuierlich die in den Social Media Guidelines verankerte “Nettiquette“, also den Ton der internen Kommunikation, missachtete und im unternehmenseigenen Intranet gegen einen Kollegen pöbelte. Entsprechend der Vorgaben in den Social Media Guidelines wurde dieser Mitarbeiter für eine gewisse Zeit von der Nutzung des Intranets ausgeschlossen. Die Klage des Mitarbeiters gegen diese Sanktion scheiterte, da die Maßnahme wirksam in den Social Media Guidelines verankert war.

Marketing in Westfalen: Wie sollten Social Media Guidelines ausgestaltet werden? Aufgrund der unterschiedlichsten Unternehmen und Branchen sind diese Guidelines bestimmt nicht einheitlich formulierbar, aber gibt es grundlegende Inhalte, die darin enthalten sein sollten?

Inga Höfener: Sicherlich gibt es einige Grundregeln, die in allen Social Media Guidelines angesprochen und geregelt sein sollten. Der „Bitkom“, also der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V., liefert auf seiner Homepage gute Anhaltspunkte dafür, was in Social Media Guidelines beachtet werden sollte. Dennoch sind Kommunikation und Bedürfnisse eines jeden Unternehmens individuell unterschiedlich und genau dieses sollte sich auch in den Social Media Guidelines widerspiegeln. Wichtig aus meiner Sicht ist es, allgemeine Handlungsempfehlungen von verbindlichen betrieblichen Vorgaben zur Social Media Nutzung zu trennen.

Unter allgemeinen Handlungsempfehlungen zählen allgemeine Hinweise in Bezug auf das erwünschte Verhalten in sozialen Netzwerken. Hierbei handelt es sich um Informationen und Leitlinien sowie allgemeine rechtliche Informationen z.B. zum Thema Urheberrechte, Persönlichkeitsrechte und Urheberrechte. Oftmals sind die Handlungsempfehlungen ganz allgemein gehalten und beziehen sich auf das generelle, auch private Verhalten der Mitarbeiter in sozialen Netzwerken. Diese Handlungsempfehlungen sind nicht verbindlich, denn das Unternehmen kann seinen Mitarbeitern natürlich nicht vorschreiben, was sie privat und in ihrer Freizeit machen. Aber viele Arbeitnehmer geben auf ihren privaten Profilen den Namen ihres Arbeitgebers und ihrer Position an (z.B. bei Xing oder Linkedin) und werden so indirekt durch ihren Auftritt und ihre Postings zu Botschaftern des Unternehmens. Auf diese Tatsache kann gar nicht oft genug hingewiesen werden. Vielen ist nicht bewusst, dass ihr Verhalten im Netz Rückschlüsse auf das Unternehmen zulässt. Hier findet eine zunehmende Vermischung zwischen unserer beruflichen und privaten Identität statt.

Bei den verbindlichen Vorgaben handelt es sich um arbeitsrechtlich relevante Vorgaben in Bezug auf die Unternehmenskommunikation. Dazu gehören Vorgaben, wie kommuniziert werden soll:

  • Duzen oder siezen wir unsere Zielgruppe?
  • Was darf kommuniziert werden?
  • Was ist absolutes Tabu?
  • Welche Sicherheitsaspekte und rechtliche Vorschriften müssen zwingend beachtet werden?
  • Wer erstellt Redaktionspläne oder gibt Inhalte frei?
  • Wie wird die private Nutzung von Social Media und Internet geregelt?
  • Und vor allem, was passiert, wenn etwas schief geht?

Es muss ein Notfallplan erstellt werden, wie im Falle von „Worst Case-Szenarien“ vorzugehen ist, denn das Internet hat eine ganz eigene Dynamik und keine Bürozeiten. Zu den verbindlichen Vorgaben können dann auch betriebsinterne Sanktionen im Falle etwaiger Fehlverhalten von Mitarbeitern geregelt werden. Damit Social Media Guidelines wirksam sind, müssen sie jedoch auch wirksam vereinbart werden.

Dafür reicht es nicht aus, jedem Mitarbeiter ein kleines Booklet auf den Platz zu legen oder ein Dokument auf dem Betriebsserver bereitzustellen. Bei Neuverträgen kann auf die Social Media Guidelines als Anlage zum Arbeitsvertrag Bezug genommen werden, bei bestehenden Altverträgen müssen sie als Ergänzung zum Arbeitsvertrag einzelvertraglich mit einbezogen werden. Aber dann bitte darauf achten, dass die bisherigen arbeitsvertraglichen Klauseln nicht mit den Klauseln der Social Media Guidelines kollidieren! Gibt es einen Betriebsrat, können die Social Media Guidelines als Betriebsvereinbarung eingeführt werden. Sie gelten dann unmittelbar und zwingend.

Marketing in Westfalen: Sie erwähnten bereits „Worst Case-Szenarien“. Was kann alles passieren?

Inga Höfener: Als „Worst Case-Szenario“ gibt es zum Beispiel den Fall, dass gut gemeintes Handeln von Mitarbeitern so schlecht gemacht sein kann, dass es das Unternehmen teuer zu stehen kommt. Über einen solchen Fall hatte 2013 das LG Freiburg (Az. 12 O 83/13) zu entscheiden. Ein Mitarbeiter eines Autohauses hatte über seinen privaten Facebook-Account eine Sonderaktion seines Arbeitgebers gepostet. Er hatte jedoch vergessen, die gesetzlich erforderlichen Pflichtangaben beizufügen. Dies nahm ein Wettbewerber zum Anlass eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung gegenüber dem Arbeitgeber auszusprechen. Das Gericht sah den Arbeitgeber für das Posting des Mitarbeiters als verantwortlich an, obwohl dieser vom Post des Arbeitnehmers keine Kenntnis hatte. Sicherlich eine sehr kostspielige, ungewollte Werbung für den Arbeitgeber. Dies wäre nicht passiert, wenn der Arbeitgeber in den Social Media Guidelines seinen Mitarbeitern untersagt hätte, auf eigene Faust ungenehmigte Werbebotschaften zu posten. Anstatt einen eigenen Post zu verfassen, hätte der Mitarbeiter völlig unproblematisch ein Angebot seines Arbeitgebers teilen können.

Marketing in Westfalen: Welche rechtlichen Konsequenzen erwarten User, wenn Sie beispielsweise über das Unternehmen herziehen. Was ist strafbar, was nicht?

Inga Höfener: Stellt der Arbeitgeber fest, dass ein Mitarbeiter über sein Social Media-Profil über ihn herzieht, muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gerechnet werden. Diese reichen von einem wahrscheinlich unangenehmen Mitarbeitergespräch über eine Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung. Das hängt ganz davon ab, wie schwerwiegend die Beleidigung des Arbeitgebers war. Unzulässig sind jedenfalls bewusste Geschäfts- oder Rufschädigung, Drohungen und Beleidigungen, falsche Tatsachenbehauptungen, Gefährdung des Betriebsfriedens und der Zusammenarbeit.

Wehrt sich der Arbeitnehmer gegen eine fristlose Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage, muss das Gericht entscheiden und das geht keinesfalls immer zugunsten des Arbeitnehmers aus. Zum Beispiel hatte ein Auszubildender über seinen Ausbilder bei Facebook folgendes geschrieben: „Menschenschinder und Ausbeuter“, der Ausbilder halte ihn als seinen „Leibeigenen“. Er müsse „dämliche Scheiße für Mindestlohn minus 20 %“ erledigen. Das Gericht hielt die fristlose Kündigung aufrecht. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass der Auszubildende schon über 20 Jahre alt war. Ob das Urteil bei einem minderjährigen Azubi genauso ausgefallen wäre, ist fraglich.

Ein weiters „Worst Case-Szenario“ ist zum Beispiel, wenn ein Mitarbeiter über den Internetanschluss des Unternehmens strafrechtlich relevantes Material (z.B. Kinderpornografie) herunterlädt und auf dem Unternehmensserver speichert. Wenn die Ermittlungsbehörden den Server zu Ermittlungszwecken beschlagnahmen und mehrere Tage oder gar Wochen einbehalten, kann das für das Unternehmen eine riesige Katastrophe darstellen. Mal abgesehen von möglichen strafrechtlichen Folgen kann die Abwesenheit der Unternehmens IT für das Unternehmen den Ruin bedeuten.

Aber auch die Vernachlässigung von sicherheitstechnischen Aspekten kann erhebliche Schäden für das Unternehmen mit sich bringen. Man denke nur an Schadsoftware, Viren und Trojaner, die von nichtsahnenden Mitarbeitern versehentlich heruntergeladen oder durch externe Datenträger eingeschleppt werden. Über diese Risiken kann in Social Media Guidelines aufgeklärt werden, damit es gar nicht erst zu Schäden kommt. Dies dient sowohl der Sicherheit der Mitarbeiter, als auch des Unternehmens.

Marketing in Westfalen: Vielen Dank für das Interview, Frau Höfener!

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Kristina Grube

hat Crossmedia & Communication Management (MA) an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld studiert sowie Medienkommunikation und Journalismus (BA). Seit Studienbeginn ist sie außerdem als freie Mitarbeiterin für eine lokale Tageszeitung tätig.