Social Marketing - eine besondere Form von Werbung

Von Barbara Kawa, veröffentlicht am 09. Juli 2019

Durch die Debatte um die Kostenübernahme für pränatale Tests, war das Down-Syndrom wieder in den Medien präsent. Für eine Zeit lang. Und dann verschwand es erstmal wieder. Die Bielefelder Medienwissenschaftlerin Tabea Mewes hat sich schon vor einiger Zeit gefragt: Kann man eigentlich Werbung dafür machen, dass das nicht so ist? Dass Themen wie das Down-Syndrom und Inklusion präsenter sind? Auch dem negativen Unterton in den Meldungen wollte sie entgegentreten. 

Social Marketing ist hier das Zauberwort. Marketing, dass zum Ziel nicht den Abverkauf hat, sondern darauf hin wirkt, Aspekte in einer Gesellschaft zu ändern. So soll es beispielsweise Menschen dazu anleiten, ihr Verhalten zu überdenken und so das gesellschaftliche Wohlergehen verbessern. Keine leichte Aufgabe also. Entscheidend ist es, den richtigen Ton zu treffen und die Zielgruppe nicht zu belehren oder zu überreden. 

Tabea Mewes startete im November 2017 die Online-Initiative notjustdown.com, in deren Zentrum ihr Bruder Marian steht, der das Down-Syndrom hat. Berichtet wird aus dem Alltag der Geschwister. Mit einer Mischung aus Information und Unterhaltung sollen über einen Blog und Social Media-Kanäle Menschen mit Down-Syndrom in den Medien präsenter sein, sodass ein offener und vorurteilsfreier Umgang mit ihnen erreicht wird. Klingt vielleicht sperrig, der Inhalt ist es aber ganz und gar nicht. Dem Instagram-Feed von notjustdown folgen mittlerweile über 15.000 Menschen. Der Blog erhielt im letzten Jahr den Goldenen Blogger Award und der angeknüpfte Online-Shop, in dem T-Shirts mit Zeichnungen von Marian bestellt werden können, ist zurzeit wegen Überlastung geschlossen. Wir haben mit Tabea Mewes über Social Marketing und das Projekt #notjustdown gesprochen.

MiW: Marketing für eine Chromosomen-Veränderung machen - einfach oder schwer?

TM: Diese Formulierung ist ungünstig. Ich mache ja keine Werbung für das Down-Syndrom (wie sollte das auch aussehen), sondern – so wie es fürs Social Marketing üblich ist – Marketing für eine Bewusstseins- oder Einstellungsveränderung der Gesellschaft im Bezug auf Menschen mit Down-Syndrom und Vielfalt/Inklusion allgemein. Das kann sowohl eine große Herausforderung als auch ganz leicht sein, dabei kommt es einfach auf die eigenen Umstände an und auf das, was man an Inhalten verbreiten möchte. Ich habe mich in der Konzeption vor allem mit Kampagnenmanagement auseinandergesetzt und mit Faktoren gearbeitet, die als erfolgsversprechend gelten. Der mitunter wichtigste davon war der Aspekt der Authentizität/Glaubwürdigkeit des Kommunikators und den halte ich in Anbetracht unseres Projekts als den Ausschlaggebendsten. Heißt: #notjustdown funktioniert vor allem deswegen so gut, weil wir authentisch sind uns aus unserem ganz privaten Leben berichten. Eine vergleichbare Initiative, die von einer nichtbehinderten Person ohne wirklich persönlichen Bezug zum Thema gestartet worden wäre, hätte sehr wahrscheinlich nicht den gleichen Erfolg. 

 

Als du notjustdown gestartet hast, hattest du ja sicher eine Vorstellung, wie das Projekt laufen soll. Ist sie eingetroffen?

TM: Es ist schon verrückt, sich das klarzumachen, aber es ist quasi genau das eingetroffen, was ich vorher als absolut utopische Träumerei gehalten und mich gar nicht auszusprechen gewagt habe. Das was sozusagen als bestmöglicher Ausgang meiner theoretischen und konzeptionellen Vorüberlegungen galt. Unser Erfolg ist der Beweis dessen, was ich im Rahmen meiner Masterarbeit wissenschaftlich erarbeitet habe. Nämlich, wieeine Online-Kampagne zum Thema Down-Syndrom/Behinderung konzipiert und realisiert werden muss, damit sie bei der von mir beabsichtigten Zielgruppe Erfolg hat. Im Leben hätte ich aber nicht daran gedacht, dass wir 1,5 Jahre später da stehen, wo wir jetzt sind, das ist absolut krass und macht mich und uns sehr stolz.

Du hast scheinbar einen Nerv getroffen. Das zeigen Followerzahlen, Rückmeldungen und auch die Bestellungen in eurem Shop. Wie erklärst du dir das?

TM: Einen Blog aus der Geschwisterperspektive zweier junger, moderner, lockerer und cooler Menschen, einer davon mit Down-Syndrom, die dann auch noch die gängigen sozialen Medien sinnvoll nutzen, gab es bisher nicht. Ich denke da haben wir gerade deshalb ins Schwarze getroffen. Eine wichtige Rolle spielt die Art unseres Outputs: Wir sprechen nicht mit erhobenem Zeigefinger, auch wenn es um ernste Themen geht, sind wir in unserem Content stets locker, umgangssprachlich und humorvoll, nehmen uns selbst nicht zu ernst und sind vor allem eins: authentisch. Das verleiht unserem Projekt die gewisse Leichtigkeit, weil es nicht „gewollt“ wirkt. Wir machen ganz unbedarft einfach das worauf wir Bock haben und lassen die Leute daran teilhaben. Das beste Beispiel dafür ist der Verkauf der per Siebdruck selbstbedruckten T-Shirts. Das war eigentlich eine Spaßidee. Dass dann alleine in den ersten paar Tagen mehrere Hundert Bestellungen zusammen kamen – abgefahren! Es folgten viele nervliche Zusammenbrüche und unzählige Nachtschichten. Wenn mal was nicht geklappt hat, poste ich das ebenso wie unseren Erfolg in Form von zig zu verschickenden Päckchen.

Ziel von Social Marketing ist ja u.a. „die Gesellschaft zu verändern“. Wie ist dein Gefühl - habt ihr das schon erreicht?

TM: Das ist natürlich nicht wirklich mess- bzw. belegbar. Aber Fakt ist ja: Es gibt durch #notjustdown 15.000 Menschen mehr, die zumindest online fast täglich Berührungspunkte und, sagen wir, „Sichtkontakt“ mit einem Menschen mit Down-Syndrom haben. Und genau das ist ja das, worum es uns geht: Menschen mit Behinderung müssen in unserer Gesellschaft, in unserem ganz privaten Alltag sichtbarer werden. Z.B. eben in Sozialen Medien wie Instagram, wo so viele von uns viele Stunden am Tag verbringen. 

Um nochmal auf die Frage zurückzukommen: Die bisher schönsten Feedbacksituationen, waren die, in denen mir die Menschen erzählt haben, dass sich durch Mari, durch #notjustdown und unsere Inhalte ihr Blick auf Behinderung und auf das Down-Syndrom grundlegend verändert hat. Das halte ich für einen wahnsinnigen Erfolg. Besonders stolz macht mich unsere sehr junge Followerschaft, die besteht fast ausschließlich aus Menschen zwischen 18 und 34. Das war ebenfalls etwas, was ich mir zuvor überlegt und das Look-and-Feel sowie die Sprache daran orientiere.

Junge Menschen zu erreichen ist mir gerade deshalb so wichtig, weil es so viel Sinn macht, dem Thema Behinderung/Inklusion/Down-Syndrom nicht erst dann zu begegnen, wenn man Nachwuchs bekommt und sich Gedanken über Pränataldiagnostik macht. Ich will die junge Generation, die mit vorausschauendem Denken echt noch was erreichen kann, ansprechen. Ich wünsche mir, dass sie viel früher als die Generationen zuvor merken, was alles falsch läuft und dass es doch paradox ist, dass wir den 13 Prozent unserer Bevölkerung, die eine Behinderung haben, einfach nicht begegnen.

Vielen Dank für das Interview, Tabea, und weiterhin viel Erfolg!

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Barbara Kawa

ist Online-Redakteurin und Social Media Managerin bei ams - Radio und MediaSolutions und beschäftigt sich mit allen Themen im und rund ums Web.