So entwickeln Sie eine attraktive Arbeitgebermarke

Die IT-Branche und der Fachkräftemangel
Fachkräftemangel? Bei diesem Wort verdrehen viele von uns mittlerweile genervt die Augen. Kaum ein Begriff wurde in den letzten Jahren derart penetrant durch die Medien gejagt wie dieser. Unternehmen, die hier nicht die Augen verdrehen, sondern eher die Ohren spitzen, kommen aus der IT. Die rund 91.000 Betriebe der Branche haben derzeit etwas mehr als 311.300 Stellen zu besetzen. 67 Prozent der Unternehmen klagen über chronischen Fachkräftemangel. Das ist auch gesamtwirtschaftlich ein Problem. In der Branche sind immerhin knapp eine Million Menschen beschäftigt, die 2018 einen Umsatz von 90 Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Dennoch ist das Thema Personalmarketing für viele IT-Betriebe noch immer eine Nebensächlichkeit. An den gezielten Aufbau einer attraktiven Arbeitgebermarke denken die wenigsten Unternehmen. Das kann und wird sich langfristig rächen.
IT-Unternehmen und Ihre Arbeitgebermarke
Ob Sie es wollen oder nicht: Ihr Unternehmen hat bereits eine Arbeitgebermarke. Sie prägt das Leitbild Ihres Betriebes und besteht aus ganz unterschiedlichen Elementen wie Ihrer Führungskultur, Konditionen für die Mitarbeiter oder den Assoziationen, die potenzielle Bewerber mit Ihrem Unternehmen verbinden. Während Ihre Unternehmensmarke (Corporate Brand) den Betrieb als Ganzes betrachtet, konzentriert sich der Employer Brand auf Ihre Positionierung als Arbeitgeber. Dies führt teilweise zu kuriosen Situationen: So kann ein führender Hersteller von Betriebssystemen und Smartphones zwar den Ruf eines unglaublich innovativen Unternehmens haben – gleichzeitig aber als menschenverachtender Arbeitgeber wahrgenommen werden.
Wenn Unternehmen ein Bewerbungsanschreiben verfassen
Stellenangebote, Personalrecruiting über XING und professionelle Headhunter: Bei der Suche nach IT-Spezialisten haben Sie wirklich alles versucht? Dann ist es Zeit für einen Perspektivwechsel. Versetzen Sie sich in die Lage eines Uni-Absolventen, der gerade den Master in Software Engineering in der Tasche hat. Die Welt steht Ihnen offen und obwohl Sie das Studium vielleicht mehr an der Theke als im Hörsaal verbracht haben, klopfen schon die ersten Unternehmen bei Ihnen an. Selbst mittelmäßige Absolventen haben hier die Qual der Wahl und junge Menschen, die irgendwas mit Medien studiert haben, können von Ihren Gehaltsvorstellungen nur träumen.
Auch für IT-Unternehmen ist das Internet Neuland
Wenn wir Faktoren wie die Wahl der Stadt oder die Qualität der Firmenkantine mal herausrechnen: Nach welchen Kriterien suchen Sie sich Ihren Wunscharbeitgeber aus? Vermutlich werden Sie zunächst einen Blick auf die Website des Unternehmens werfen. Gerade für IT-Unternehmen ist es dann peinlich, wenn der Internetauftritt wie eine Zeitreise in das Jahr 1995 wirkt. Falls das Unternehmen einen Blog hat, werden Sie auch hier einen Blick riskieren und hoffentlich ist dann dieser mit aktuellen und interessanten Inhalten gefüllt. Bleibt noch die Recherche in den sozialen Netzwerken. Und damit ist nicht nur Facebook gemeint. Instagram oder LinkedIn haben den alten Social Media-Kanälen längst den Rang abgelaufen. Leider haben viele IT-Betriebe hier wenig vorzuweisen. Kein Wunder: Auch in der IT-Branche steigt das Durchschnittsalter der Belegschaft und deutsche IT-Unternehmer sind heute mit ihren durchschnittlich 43 Jahren oft weit von der Lebensrealität 25-jähriger Uni-Absolventen entfernt. Entsprechend voreilig werden „neue“ soziale Medien belächelt.
Für Bewerber zählen die inneren Werte
Doch machen wir uns nichts vor: Auch als Absolvent, der vielleicht noch ein wenig grün hinter den Ohren ist, wissen Sie, dass alle Websites und Social Media-Profile der Welt oft nur schöner Schein sind. Was wirklich zählt, sind die inneren Werte. Und wer kennt diese besser, als die Mitarbeiter des Unternehmens? Natürlich würden die nie offen zugeben, dass das Unternehmen, das sie bezahlt, schlechtere Arbeitsbedingungen als Amazon anbietet. Im Schutze der Anonymität hingegen, sieht das schon etwas anders aus. Zum Glück gibt es Plattformen wie Kununu. Hier berichten immer mehr (ehemalige) Mitarbeiter, wie weit her es mit der modernen Führungskultur wirklich ist. Oft bieten sich hier interessante Einblicke und Unternehmen, die mit weniger als drei Sternen bewertet werden, haben schlechte Karten. Da kann der versprochene Firmenwagen noch so schick sein.
Ihre Arbeitgebermarke entscheidet
Aus den oben genannten Bausteinen setzt sich also Ihre Arbeitgebermarke zusammen. Sie ist die Essenz dessen, wie potenzielle Bewerber Ihr Unternehmen wahrnehmen. Entsprechend wichtig ist es, dass Sie jeden einzelnen dieser Bausteine ernst nehmen und beim Aufbau Ihrer Arbeitgebermarke berücksichtigen. Bevor Sie nun damit beginnen, Ihren Blog oder Ihre Webseite auf Vordermann zu bringen, sollten Sie sich folgende Fragen stellen:
- Was macht unser Unternehmen einzigartig?
- Warum sind wir – vor allem im Vergleich zu Wettbewerben – ein attraktiver Arbeitgeber?
- Ist unsere Unternehmenskultur wirklich so optimal oder gibt es Verbesserungsbedarf?
- Fühlen sich die Mitarbeiter in unserem Unternehmen wohl?
Bei der Beantwortung dieser Fragen sollten Sie Mitarbeiter und Führungskräfte aus allen Bereichen und Hierarchieebenen Ihres Unternehmens einbeziehen. Kritik Ihrer Mitarbeiter ist wertvoll und muss entsprechend respektiert und gewürdigt werden. Setzen Sie Verbesserungsvorschläge um und warten Sie nicht zu lange damit. Falls Ihre Unternehmenskultur im Fokus der Kritik steht, ist ein Coaching Ihrer Abteilungsleiter oder Manager sinnvoll.
Kennen Sie Ihre potenziellen Mitarbeiter?
Wer sein Ziel nicht kennt, verläuft sich. Deshalb ist es wichtig, dass Sie nicht nur Ihre Kunden kennen, sondern auch wissen, welche Wünsche oder Ansprüche die gesuchten Fachkräfte an Ihr Unternehmen haben. Doch worauf achten junge IT-Fachkräfte und nach welchen Kriterien treffen sie ihre Entscheidungen? Fest steht: Die IT-Branche braucht frischen Wind. Aus den folgenden Richtungen kann er kommen.
Die Vorteile der Startups
Viele junge Fachkräfte möchten ihre ersten Praxiserfahrungen gerne bei Startups sammeln. Dort haben Studenten das Gefühl, für einen guten Zweck zu arbeiten und von Anfang an mit dabei zu sein. Große Unternehmen können daraus lernen, ihren Nachwuchs nicht direkt ins kalte Wasser zu stoßen. Junge Fachkräfte wünschen sich eine effektive Einarbeitung in die Arbeitsprozesse eines Unternehmens. Ein vertrauter Ansprechpartner ist dabei unabdingbar. Der Wechsel vom theoretischen Studium in die berufliche Praxis stellt für viele Nachwuchstalente eine Herausforderung dar, bei der die Unternehmen den Absolventen entgegenkommen sollten. Mit kleinen Aufgaben anfangen zu können und sich langsam an große Projekte heranzuwagen, klingt ansprechend und nimmt den Druck aus der Sache.
Flexibilität ist gewünscht
In den Augen des Nachwuchses macht Flexibilität in der Arbeitsgestaltung ein Unternehmen attraktiver. Besonders die eigenständige Einteilung der Arbeitszeit bietet jungen IT-Fachkräften die Freiheit, sich ihrer Arbeit motiviert hinzugeben. Solange alle Fristen eingehalten werden, haben sie so die Chance, dann zu arbeiten, wann dies ihren Präferenzen entspricht. Doch nicht nur die zeitliche Freiheit klingt für den Nachwuchs verlockend. Auch das ortsunabhängige Arbeiten ist in der IT-Branche möglich und überzeugt die Fachkräfte von Ihrem Unternehmen.
Kommunikation auf Augenhöhe
Die wenigsten Absolventen dürften sich über einen herablassenden Umgang freuen. Obwohl sie neu im Unternehmen sind und meistens weniger Praxiserfahrung haben als ihre Kollegen, wünschen die zukünftigen IT-Spezialisten sich Kommunikation auf Augenhöhe. Sie sind auf dem Markt gefragt und bringen neue Perspektiven in ein Unternehmen. Das sollte mit einem freundlichen Umgang geschätzt werden. Unternehmen müssen bereit sein, Fragen zu beantworten und Hilfestellung in der Einarbeitung zu leisten. Wenn die Kommunikation mit und unter den Mitarbeitern nicht funktioniert, hat das einen negativen Einfluss auf das Arbeitsgefühl, und dies wiederum schwächt die Leistung und Motivation. Ist das Team freundlich und offen, wird auch der Nachwuchs sich in dem Unternehmen wohl fühlen.
Neue Anforderungen für mehr Optionen
Der IT-Markt ist nicht leer, weil sich niemand für Informatik interessiert. Tatsächlich finden sich schon in jungen Jahren viele Schüler mit Interesse an moderner Technik. Wieso auch nicht? Von den aktuellsten Handys über neue Spielekonsolen ist der Bereich, in dem das erste Interesse an Informatik keimen kann, riesig. Nicht jeder von ihnen wird später Informatik studieren. Doch auch wie in anderen Studiengängen ist klar, dass ein guter Studienabschluss keine Garantie für Kompetenz ist. Andersherum ist es so, dass viele IT-Spezialisten nie studiert haben. Wenn Unternehmen die Anforderungen an ihre Bewerber überdenken und ihnen Zeit geben, sich in der Praxis zu beweisen, würden sie sicherlich auf viele Nachwuchstalente stoßen, die bislang im Filter der Anforderungen hängen geblieben sind.
Frauen und Technik
Schlussendlich stehen dem Einstieg in die IT-Branche viele Vorurteile im Weg. Von dem Bild eines Strebers in kariertem Hemd bis hin zu der geringen Frauenquote wirken die Stereotypen oft abschreckend. Die IT-Unternehmen sollten sich unter anderem mehr auf den weiblichen Nachwuchs fokussieren sowie die guten Zukunftsaussichten und Weiterbildungsmöglichkeiten der Branche betonen. Zeigen Unternehmen sich feministischer und werben speziell für die weibliche Hälfte der Bevölkerung, erscheint das Unternehmen womöglich in einem völlig neuen Licht – modern, innovativ und offen. Genau die Eigenschaften, für die Ihre Arbeitgebermarke eigentlich stehen sollte.