Podcast-Liebe wächst weiter

Von Julia Ures, veröffentlicht am 08. September 2020

Die Statistik

Eine der jüngsten Erhebungen, die erste POD-Ratings-Studie des Forschungs- und Beratungsunternehmens Goldmedia zeigt, dass mehr als 10 Millionen Menschen in Deutschland aktiv Podcasts hören. Sie haben also im bisherigen Jahr 2020 „mindestens selten“ solche Audio-Formate gehört. Knapp 24 Millionen im Alter ab 14 Jahren aus der deutschsprachigen Bevölkerung kamen bereits in Kontakt mit dem Medium Podcast und 2,3 Millionen gehören zu den Intensiv-Nutzern. Das bedeutet, dass sie jede Woche mindestens drei Stunden Podcasts hören.

Einer Bitkom-Studie aus dem Juli 2020 nach hört jeder dritte Verbraucher (33 Prozent) zumindest selten Podcasts. Im Vorjahr war es erst jeder Vierte (26 Prozent). Die Beliebtheit vor allem bei jüngeren Menschen ist groß: Zwei von fünf Personen zwischen 16 und 29 Jahren (40 Prozent) geben an, Podcasts zu hören.

Studien belegen außerdem, dass nicht nur die Nutzung von Podcasts insgesamt gestiegen ist, sondern auch deren regelmäßige Nutzung. So erreicht das Medium, wie andere Online-Audio-Angebote auch, mehr und mehr die ältere Zielgruppe. Hier darf aus der Zusammenfassung des Online-Audio-Monitors 2020 zitiert werden: „Während es bei den unter 30-Jährigen (94,5 Prozent Online-Audio-Nutzer) und den formal Hochgebildeten (83,8 Prozent) aufgrund der bereits erheblichen Marktdurchdringung nur noch geringes Wachstum gibt, legen nun vor allem Frauen (+19 Prozent auf 67,5 Prozent), über 50-Jährige (+36 Prozent auf 52,6 Prozent) und Personen mit formal niedriger Bildung (+40 Prozent auf 59,5 Prozent) überdurchschnittlich stark zu.“

„Podcasts in der Mitte der Gesellschaft angekommen“

Podcast-Berater und Projektleiter bei der Bielefelder Podcastfabrik Matthias Milberg schildert seine Beobachtung und Schlussfolgerung: „Podcasts sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Noch nie wurden so viele Podcasts gehört wie 2020. Viele Menschen haben sich während des Corona-Lockdowns in das Medium und die Geschichten verliebt, denn Podcasts bedeuteten Austausch und Nähe in Zeiten von Social Distancing.“

Medienfachleute und -macher sind sich mittlerweile einig, dass Podcast und Webradio, eine einst vermutete und lange befürchtete Konkurrenz, sich nichts wegnehmen, sondern gegenseitig befruchten. So waren bei der Präsentation des Online-Audio-Monitors 2020 im Sommer viele Stimmen zu hören wie die von Ina Tenz, die nach ihrem Ausstieg als Antenne Bayern-Programmdirektorin unter anderem den Podcast von Altkanzler Gerhard Schröder produziert. Sie beschrieb die „friedliche Koexistenz“ von klassischem Radio und dem Online-Audio-Sektor. So würden Hörer beide Formen nutzen, das klassische Radio sei dabei mit seinen Zusatzangeboten im Bereich Podcast häufig „Einstiegsdroge“ ins Audio-Reich im Internet. Radio setze weiter auf Flow und Durchhörbarkeit. Podcast-Nutzer suchten Tiefe.

On Demand ist das Zauberwort von Heute und Morgen

Es zeigt sich, dass was für den Bereich des Fernsehens spätestens durch Angebote wie Netflix, Amazon prime und andere überdeutlich geworden ist, schon lange auch den Bereich Audio erreicht hat: Hörer wollen Angebote dann konsumieren, wann es in ihren Tagesablauf passt – On Demand eben. Dem leisten Podcasts Folge.

Dr. Anja Zimmer, die Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg für die beteiligten Medienanstalten aus Bayern, Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, zusammenfassend: "50 Millionen Menschen in Deutschland, sechs Millionen mehr als im letzten Jahr, hören Audio-Inhalte mittlerweile online. Und das vor allem auf ihrem Smartphone und immer häufiger auch im Auto."

Corona gibt 2020 den Ton an

Thematisch zeichnet sich insbesondere im Jahr 2020, häufig dominiert durch die COVID19-Pandemie, im Bereich Podcasts ein immer stärkerer Trend zu aktuellen und informativen Angeboten ab - allerdings mit Ausnahmen: denn Studien zufolge sind Beiträge rund um die Pandemie die beliebtesten: 83 Prozent der Hörer geben an, Podcasts zum Coronavirus wie z.B. „Das Coronavirus-Update“ mit Christian Drosten zu hören. Danach folgen Nachrichten (53 Prozent), Comedy (44 Prozent), Sport und Freizeit (43 Prozent). 39 Prozent der Podcast-Hörer interessieren sich für Gesundheit und Medizin ein, ähnlich viele für Musik-Podcasts (37 Prozent). Direkt danach rangieren Film und Fernsehen, Politik (jeweils 34 Prozent der Hörer) sowie Technologie und Digitales (33 Prozent). Der populärste Podcast war im Juli in Deutschland das Comedy-Format "Gemischtes Hack" mit 1,10 Millionen Hörern.

Einen besonderen Boom erleben bundesweit gefragte und erfolgreiche True Crime-Formate wie beispielsweise „Die Zeit: Verbrechen – Der Kriminalpodcast“ oder „Verbrechen von nebenan – True Crime aus der Nachbarschaft“, gestartet unter dem Dach der Podcastfabrik.   

„Beachtliche Reichweiten, die sich sehr gut vermarkten lassen“

Der Geschäftsführer von ams – Radio und MediaSolutions aus Bielefeld, Uwe Wollgramm: „Unsere Marke ‚Podcastfabrik‘ hat sich insgesamt seit dem Start 2018 sehr dynamisch und vielversprechend entwickelt. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren etliche Unternehmen und Institutionen aus ganz Deutschland als Kunden gewonnen, die sich von uns in Sachen Podcasts beraten lassen und die uns mit der Produktion und mit der Verbreitung von verschiedensten Podcastformaten beauftragen. Darüber hinaus sind wir selbst sehr kreativ bei der Entwicklung und Veröffentlichung von eigenen Podcastserien zu den verschiedensten Themenbereichen. Einige dieser Serien erzielen bereits beachtliche Reichweiten, die sich sehr gut vermarkten lassen.“

Podcasts sind flexibel und divers - sowohl, was Themen als auch die Machart angeht. Die lange Zeit im Format-Radio eingehaltene und immer noch gültige Regel von „Einsdreißig“, also Beiträge von maximal 1:30 min-Länge, ist in der Welt des Podcasts aufgehoben. Hörer wünschen sich Zeit für Themen und eine Behandlung in der Tiefe. Allerdings zeigt sich, dass auch eine endlose Ausdehnung nicht gewünscht ist oder die Zeit dafür reicht. Hörer gaben in einer Studie an, dass die ideale Podcast-Länge für sie bei 18 Minuten liegt. Offenbar dehnt sich diese aus, denn ein Jahr zuvor waren es mit 13 Minuten im Durchschnitt noch fünf weniger. 40 Prozent der Hörer favorisieren Podcasts mit einer Länge von 20 bis 30 Minuten, nur acht Prozent längere Formate. Eine weitere interessante Zahl: Nur ein gutes Drittel (35 Prozent) gibt allerdings an: „Ich höre Podcasts in der Regel komplett“, der Rest bricht sie vorher ab und steigt aus dem Thema aus.

Immer mehr Kommunikationsteams integrieren Podcasts in den Marketing-Mix

Eine immer größere Rolle spielen im Jahr 2020 Unternehmens-Podcasts, häufig gestartet, um während des Lockdowns mit Kunden und Partnern in Kontakt zu bleiben und eine neue Form der Kundenbindung zu etablieren. Matthias Milberg schildert den Zusammenhang zwischen Podcast-Hörern und der Idee, Unternehmens-Podcasts anzubieten: „Die Menschen tragen die Podcastliebe in ihre Unternehmen. Immer mehr Kommunikationsteams wollen den Audiokanal in den Marketing-Mix integrieren.“ Erfolgreiche Beispiele sind der Podcast „Rausgehört“ vom Outdoor-Ausrüster Globetrotter aus Hamburg, „Lowell Backstage“ für das Inkassounternehmen Lowell oder der „Fitmacher“ der Heimat Krankenkasse, produziert von der Podcastfabrik.

Das Bewußtsein für die vielfältigen Chancen von und durch hochwertige Unternehmens-Podcasts dringt nach und nach in die Marketingabteilungen vor. Ein Prozess, der jedoch teilweise dauert, so die Leiterin der Podcastfabrik Gaby Grubert: „Die Budgets für Branded-Podcasts sind immer noch nicht selbstverständlich. Auch wenn Audio-Produktionen im Vergleich zu Video-Produktionen relativ kostengünstig zu realisieren sind, fehlt oft noch das Qualitätsbewusstsein in den Unternehmen. Es ist wie in den Anfangstagen der Social Media. Heute ist professionelle Unterstützung von Agenturen selbstverständlich. Früher musste das der oder die Praktikant/in übernehmen.“

Uwe Wollgramm, Kopf der Podcastfabrik schließt: „Podcasts werden uns weiter begleiten. Ich persönlich gebe ihnen in der Medienlandschaft der Zukunft einen sehr großen Stellenwert. Das inhaltliche Angebot von Podcasts wächst und wächst und wird dabei gleichzeitig immer diverser, so dass jedermann entsprechend seiner Interessen und seiner jeweiligen Stimmung auf dem Podcastmarktplatz etwas für sich findet - und das sogar kostenlos. All das macht Podcasts so attraktiv. Die Nachfrage wird daher auch in Zukunft weiter steigen.“

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Julia Ures

ist zuständig für die Betreuung der Print- und Online-Kanäle von ams - Radio und MediaSolutions. Sie kümmert sich um die Pressearbeit für die Lokalradios in Ostwestfalen-Lippe und im Kreis Warendorf, ist ausgebildete Hörfunkredakteurin und Moderatorin.