Marke oder Einheitsbrei – Markenversprechen im Praxistest

Von Andreas Freund, veröffentlicht am 03. September 2019

Marken-TÜV – warum denn nicht

Stellen Sie sich vor, die TÜV-Plakette Ihres Pkw ist seit drei Jahren abgelaufen. Sie fahren das Auto aber dennoch im öffentlichen Straßenverkehr. Unabhängig der strafrechtlichen Relevanz: Wie würden Sie sich dabei fühlen, von den anderen Verkehrsteilnehmern ganz zu schweigen? Stellen Sie sich vor, Sie haben sich in den letzten Wochen über die teils markigen, teils schwammigen Botschaften der Parteien zur nächsten Wahl amüsiert: Welches Versprechen hält denn Ihre Marke, wenn es zum Praxistest kommt? Wie klar sind denn Sie mit Ihren überprüfbaren Aussagen an den Markt? Und stellen Sie sich vor, Sie lassen einen Test-Kauf in Ihrem Unternehmen durchführen: Wie wäre das abschließende Ergebnis zur Frage des ganzheitlichen Markenerlebnisses? Zu guter Letzt: Wann haben Sie sich zum letzten Mal gefragt, ob Ihre Leistung, Ihr Vorgehen, Ihre Preispolitik und Ihre gelebte Kundenorientierung in Summe noch zu Ihrer Marke passen. Oder besteht Handlungsbedarf?

Entkoppelt oder verzahnt

Die Textzeile eines Liedes aus der Neue-Deutsche-Welle-Zeit lautete „Völlig losgelöst von der Erde …“. Seitdem ist viel passiert. Verändern wir hingegen die Textzeile ein wenig und ersetzen „Erde“ durch „Kundschaft“, dann stellen wir schnell fest, dass sich die Neuerungen oftmals doch in eher überschaubaren Grenzen halten. Woran kann das liegen? Unter anderem an einer mangelnden Bereitschaft, sich intensiv mit Markenattributen zu beschäftigen. Das sind nämlich nicht die, die Ihnen besonders naheliegend und en vogue erscheinen.

Nein, es sind jene, die Sie mit Ihren Kunden teilen. Und das täglich, in jeder Aktion, bei jedem Kontakt. Ja, bei jedem Kontakt, mündlich, schriftlich, per Web, über Dritte. Daher wäre es viel zu einfach, sich lediglich auf die selbst initiierten und gelenkten Kommunikationsmaßnahmen zu beschränken. Denn diese können Sie mit Grips und Disziplin über alle relevanten Kanäle nach Belieben und vermeintlicher Notwendigkeit harmonisiert distribuieren. Es ist letztlich Ihre operative Marketingaufgabe als Ausfluss Ihrer Kommunikationsstrategie.

Gemeint ist hier der „reale Kontakt“ mit Ihrer Marke. Dazu ein Beispiel: Wenn Sie mit den Worten „Besser geht’s nicht“ werben, sind Sie immer auf der sicheren Seite. Aber Sie werden hoffentlich mit konkreteren Aussagen versuchen, Ihr Leistungsversprechen und Ihr Markenerlebnis miteinander zu verbinden, korrekt? Zum Beispiel durch ein differenziertes Markenversprechen, wortgewandte Anzeigen, überzeugende Bildsprache, benutzerfreundliche Website, prompten Service und kundenorientierte Mitarbeiter, korrekt? Und was passiert, wenn im letzten Fall genau dasselbe passiert, wie im ersten? Dass der Kunde nämlich vermittelt bekommt, besser ginge es eben nicht? Dann haben Sie nichts gewonnen, sondern vermutlich das Wichtigste verloren: Das Vertrauen Ihrer Kunden in Ihr Unternehmen. Richten Sie Ihr Augenmerk also bitte nicht nur auf das Markenversprechen, sondern insbesondere darauf, wie es ausgefüllt werden muss und ob es gehalten wird. Sie wissen ja, wer einmal lügt …

Sorgen Sie dementsprechend für einen authentischen Markenauftritt - von A bis Z. Ja, dazu gehört auch die intensive Vermittlung Ihrer Markenwerte an Ihre Mitarbeiter. Wenn diese nicht wissen, warum Ihr Unternehmen für bestimmte Werte steht, wie sollen sie diese dann verkörpern und gegenüber Ihren Kunden „leben“? Noch schlimmer ist es, wenn Sie Werte proklamieren, an die noch nicht einmal Ihre Mitarbeiter glauben – aber zum Glück gibt es solche Fälle ja nicht. Zumindest nicht bei Ihnen.

Der Griff nach den Sternen – kein Muss

Wann haben Sie sich das letzte Mal beim Online-Shopping oder bei der Vorauswahl Ihres Urlaubsziels von der Sternebewertung auf Basis der Kundenbeurteilungen beeinflussen lassen? Haben Sie dabei bedacht, dass je nach Plattform und Anbieter teilweise über 85 Prozent der Bewertungen gar nicht valide sind? Fake-Accounts und Bots verrichten hier zum Teil einen erschreckenden und höchst zweifelhaften Auftrag, sofern es überhaupt einer ist. Im Gegenzug sind jedoch auch drei Top-Bewertungen eines Speiselokals von insgesamt drei echten Gästen innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren keine große Entscheidungshilfe.

Wie also kann nachvollziehbare Glaubwürdigkeit in Ihre Marke gebracht werden? Beginnen wir mit den Online-Bewertungen: Geben Sie Ihren Kunden eine Möglichkeit, sich zu Ihrem Leistungsversprechen und dem Einkaufserlebnis zu Wort zu melden. Nehmen Sie diese Kommentare ernst, sehr ernst. Das bedeutet, dass Sie Nachrichten und Bewertungen regelmäßig lesen, so wie eine tägliche Pflichtlektüre.

Antworten Sie auch, wenn die Resonanz durchweg positiv ist. Klingt komisch, aber was hindert Sie daran, sich eine gute Rückmeldung zu freuen und sich zu bedanken? Stimmt, nichts. Viel spannender ist es natürlich, mit gerechtfertigter Kritik im Netz umzugehen. Je schneller, desto besser, je sachlicher, desto zielführender. Machen Sie deutlich, dass Ihnen konstruktive Kritik hilft. Starke Marken halten das aus, keine Sorge. Entscheiden Sie sich hingegen, nicht zu antworten, weil Sie das nicht interessiert, und der Kunde ohnehin stets etwas zu bemängeln hat, dann vergessen Sie bitte nicht, dass auch dieses Verhalten auf Ihre Marke einzahlt – und das halten auf Dauer noch nicht einmal starke Marken aus. Mehr Informationen zum Thema Kundekommunikation finden sie übrigens in unserem Whitepaper "Kundenkommunikation - Ein Leitfaden für die Praxis".

Willkommen in der Königsklasse

Die Champions-League der Kundenbewertung bilden zweifelsfrei die sogenannten Testimonials im B-to-B-Segment. Damit wir uns hier bitte nicht missverstehen: Gemeint sind nicht die Zitate à la „Die Zusammenarbeit war immer klasse“, unterzeichnet von „Metallverarbeiter aus Europa“. Nein, wenn schon, dann bitte richtig! Zum Beispiel: „Durch das Produkt Speedy von Schlumpf & Schlümpfe konnten wir unsere Lieferzeiten um bis zu 12% verkürzen.“ Oder: „Durch die strategischen Beratungsleistungen von Schlau & Klug konnten wir unseren Marktanteil in Frankreich um 9% ausbauen.“

Kurzum, alles was messbar ist, sollte bemessen werden und auch entsprechend kommuniziert werden. Sonst macht es keinen Unterschied. Selbstverständlich tragen die Aussagen den Namen des Unternehmens und die Funktion des Testimonial-Gebers. Dass die Texte inklusive Logo-Verwendung vom Kunden schriftlich freigegeben wurden, versteht sich von selbst. Die Wirkung und die positive Belastbarkeit solcher Aussagen sind ein echter Wettbewerbsvorteil. Warum? Weil jeder potentielle Interessent im Markt weiß, dass Testimonials, in denen Fakten, sowie Ross und Reiter genannt werden, nicht aus Gefälligkeit, sondern aus Überzeugung freigegeben werden. Also trauen Sie sich und sprechen Sie Ihre Kunden gezielt an.

Der Aufwand lohnt – und wird belohnt

Eine authentische Marke aufzubauen oder eine bestehende Marke authentisch weiterzuentwickeln, gehört zweifelsfrei zu den spannendsten Aufgaben und Herausforderungen im Marketingumfeld. Aber auch hier ist in erster Linie Logik und gesunder Menschenverstand gefragt. Das A und O ist und bleibt, die Glaubwürdigkeit der Marke und das Markenerlebnis – nicht etwa das vielversprechende Produkt. Die Möglichkeiten, das Wohlwollen der Kunden zu gewinnen, sind vielschichtig. Manchmal sind sie auch recht einfach, denn ein „Guten Morgen, was darf es sein“ klingt schon angenehmer, als das monotone „Wer ist der Nächste?“, oder?

Unterziehen Sie Ihre Markenbotschaft regelmäßig einem Selbsttest. Vielleicht lassen Sie diesen auch durch Dritte begleiten, die einen ungeschminkten Blick auf Ihr Unternehmen, Ihre Marktbedingungen, Ihren Wettbewerb sowie Ihre Kundenerwartungen haben. Das Wichtigste aber ist, Ihren Kunden im Auge zu behalten. Fragen Sie sich also immer wieder, was Sie und Ihr Team unternommen haben, um das Markenerlebnis mit Ihrem Unternehmen glaubwürdiger und noch positiver gemacht zu haben.

Machen Sie sich unterscheidbar, heben Sie sich ab und setzen Sie immer wieder ein Zeichen – Ihr unverwechselbares Brandzeichen! Dass sich dieser Aufwand lohnt und zudem auszahlt, ist unbestritten.

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Andreas Freund

...hat über 400 Messen, Ausstellungen und Konferenzen als Marketingleiter sowie Geschäftsführer international ausgerichteter KMU im B2B- sowie B2B2C-Bereich mitverantwortet. Regelmäßig teilt er sein Marketing-Wissen als Referent und Workshopleiter auf Industriekonferenzen. Der gebürtige Briloner lebt seit 1993 in Paderborn. Er verantwortet zurzeit die Verkaufsförderung eines Bielefelder Solartechnik-Anbieters.