Interviews führen: die Pannen der Profis

Von Kristina Grube, veröffentlicht am 01. September 2016

Die Fehltritte der Profis

Das legendäre Interview von Friedrich Nowottny mit Willy Brandt

„War die Währungsfrage, die ungelöste europäische Währungsfrage, das schwierigste Problem dieser Konsultation?“ - „Ja.“ „Und Sie haben dem Präsidenten keine Lösung von unserer Seite aus mit auf den Weg geben können?“ –„Doch.“ „Haben Sie ihm die Termine genannt, die so wichtig sind für die Festlegung des Wechselkurses der D-Mark?“ –„Nein.“ „Und Sie sind sicher, dass er trotzdem befriedigt war?“ –„Ja.“

So verlief das missglückte Live-Interview von dem Journalisten Friedrich Nowottny mit dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt im Jahr 1972, der zuvor im Rahmen der deutsch-französischen Konsultation mit dem Staatspräsidenten Georges Pompidou über die Währungspolitik sprach. Willy Brandt antwortete auf die schlecht formulierten, geschlossenen und suggestiven Fragen nur einsilbig.

Möglicherweise hätte der Übergang zu einer offenen Frage das Interview noch auffangen können. Auch eine halbgeschlossene Fragestellung, die das Antwortfeld eingrenzt („Wie bewerten Sie persönlich das Gespräch hinsichtlich der Währungsfrage?“) oder ein Nachhaken zu einer kurzen Antwort („Inwiefern?“) wäre hier denkbar gewesen.

Ein weiterer Fehler blieb zudem für die Zuschauer verborgen: Bevor das Interview stattfand, teilte Friedrich Nowottny Willy Brandt mit, dass der Beitrag nicht länger als „einsdreißig“ lang sein dürfe. Brandt, der das Gefühl hatte, an einem bedeutenden, staatspolitischen Ereignis teilgenommen zu haben, war darüber nicht erfreut. Diese mangelnde Empathie für den Gesprächspartner hatte seine Folgen. Sichtlich amüsiert ließ Willy Brandt den Journalisten Nowottny, der ansonsten für seine ironische Berichterstattung und Schlagfertigkeit in Interviews mit Politikern geschätzten wurde, auflaufen.

Live-Interview mit Gunter Gabriel bei Radio Bielefeld

Bettina Wittemeier ist seit 25 Jahren Moderatorin bei dem lokalen Sender Radio Bielefeld. Interviews mit den unterschiedlichsten Menschen zu führen gehört zu ihrem Berufsalltag. Ganz und gar nicht alltäglich war hingegen das Live-Interview mit dem Country- und Schlagersänger Gunter Gabriel. Angelegt war dieses für zweieinhalb Minuten – geführt wurde es jedoch ganze zwölf Minuten. „Gunter Gabriel hatte am Abend eine Veranstaltung in Bielefeld, war gut gelaunt und im Interview einfach nicht zu stoppen“, erinnert sich Bettina Wittemeier. Mittendrin griff er dann auch noch zu der Gitarre, die immer im Studio steht und stimmte ein Liedchen an. Aber was macht ein Moderator in dieser Situation?

Der Moderationstrainer habe im Nachhinein festgestellt, sie habe sich das Heft aus der Hand nehmen lassen. „Ich hätte ihn unterbrechen oder das Gespräch beenden können. Doch es hat Spaß gemacht, hatte einen hohen Unterhaltungswert und so habe ich es weiterlaufen lassen.“ Das dürfe natürlich nicht jedes Mal passieren, da es außerhalb jeden Radioformats läge. Im Nachhinein war es jedoch die richtige Entscheidung, denn die Rückmeldungen der Hörer dazu waren durchweg positiv.

Pampige Antworten, Mikroklau und Gefahren der Technik

Während seiner 25-jährigen Karriere beim Radio hat Frank Haberstroh (seit 1997 Chefredakteur bei Radio WAF) bereits einiges erlebt. Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl konnte er Mitte der 90er-Jahre in Paderborn interviewen. Eigentlich wären keine Interview-Töne möglich gewesen, er durfte Kohl aber auf dem Flughafen-Rollfeld sprechen. Doch bereits die erste Frage, ob er sich freue, einmal gemeinsam mit seiner Frau ein Interview geben zu können, stieß diesem sauer auf und er gab eine pampige Antwort – nahm er nach eigenen Aussagen doch sehr oft seine Frau mit auf Reisen. „Dann gilt: Augen zu und durch. Ziel ist ja, sendbare O-Töne zu bekommen“, so Haberstroh.

In Erinnerung geblieben ist ihm zudem das Interview mit der resoluten Bertelsmann-Chefin Liz Mohn. Nachdem Frank Haberstroh seine Frage gestellt und Frau Mohn das Mikro vor den Mund gehalten hatte, griff diese ganz selbstverständlich danach und nahm ihm das Mikro aus der Hand.

Während eines Interviews mit Edmund Stoiber im Rahmen der Wahl-Kundgebung im Jahr 2002 war es die damalige Technik, die Frank Haberstroh straucheln ließ. Die Veranstaltung auf dem Domplatz in Münster wurde mit Absperrgittern von der Polizei gesichert, ein Einzel-Interview zwischen einem Reporter und dem Politiker war eigentlich nicht vorgesehen. Der CDU-Kanzlerkandidat Stoiber hatte aber ein Eigeninteresse, nahm Blickkontakt zu Frank Haberstroh auf und holte ihn über die Absperrung. „Dabei hat sich mein Mikrokabel verhängt und ich wäre beim Überklettern des Absperrgitters fast gestürzt“, erinnert sich Frank Haberstroh. Heute hätten die Mikros glücklicherweise keine Kabel mehr, dafür würde ein Journalist wahrscheinlich gleich festgenommen, versuchte er über eine Polizeiabsperrung zu klettern.

Auch eine Kollegin von Radio Herford hat ihre Erfahrungen mit der Technik gemacht. Während eines Interviews mit Franz Müntefering gab es eine Scheinwerferpanne - dieser explodierte direkt über den Köpfen Münteferings und der Reporterin. Vor Schreck schaltete sie dabei das Aufnahmegerät aus und bemerkte erst im Sender, dass sie gar keine O-Töne hatte.

Der aufgeregte Interviewpartner

Trotz guter Vorbereitung gibt es Situationen im Leben eines Radiojournalisten, die er nicht beeinflussen kann. Ein Interview steht und fällt mit dem Gesprächspartner, dessen Antworten als O-Ton aufgezeichnet werden. Das bekannte „ähm“, ein Husten oder Räuspern kann problemlos im Tonstudio herausgeschnitten werden. Doch was kann ein Journalist tun, wenn der Gesprächspartner so aufgeregt ist, dass er es nicht schafft, auch nur einen Satz zu Ende zu sprechen? Das ist Verena Hagemeier von Radio Hochstift im Interview mit einem Gartenexperten passiert:

„Ich habe es danach tatsächlich noch geschafft, ihn etwas zu beruhigen. Danach hat er zwar auch noch etwas gestammelt – das konnte ich dann aber so schneiden, dass es im Radio fast ganz normal und selbstbewusst rüberkam. Letztendlich hat er seine Aufgabe dann doch ganz gut gemeistert“, erklärt Verena Hagemeier.

Diese Beispiele zeigen, dass Pannen manchmal unumgänglich sind. Aus Fehlern können Sie nur lernen und erkennen, dass vor allem der Umgang mit dem Gegenüber als auch das Stellen der passenden Fragen wichtige Faktoren bei einem Interview sind.

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Kristina Grube

hat Crossmedia & Communication Management (MA) an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld studiert sowie Medienkommunikation und Journalismus (BA). Seit Studienbeginn ist sie außerdem als freie Mitarbeiterin für eine lokale Tageszeitung tätig.