Gute Kommunikation macht Mitarbeiter, Kunden und den Chef glücklich

Von Sylvia Homann, veröffentlicht am 19. Mai 2020

Gewaltfreie Kommunikation (GFK)

Eine schwierige Situation und eine schwierige Entscheidung, bei der es fast unmöglich scheint, eine Lösung zu finden, die jeden der betroffenen Mitarbeiter zufriedenstellt und auch noch gut für die Firma ist. Aber es geht. Und zwar mit der Methode der Gewaltfreien Kommunikation (GFK). „Gewaltfreie Kommunikation?“ werden Sie jetzt vielleicht fragen. Klingt nach Birkenstock, Müsli und Tee trinken – aber nicht nach Arbeit, Erfolg und Geld verdienen. GFK-Trainerin Beate Brüggemeier argumentiert so: Es geht darum „ein Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeitende aus eigener Motivation heraus kooperieren und zur Erreichung unternehmerischer Ziele beitragen wollen. Es geht ebenso darum, einen Führungsstil zu entwickeln, der Macht mit Menschen anstatt Macht über Menschen ausübt.“ (aus: Beate Brüggemeier: Wertschätzende Kommunikation im Business. Wer sich öffnet, kommt weiter. Paderborn 2017)

Das Zauberwort der GFK ist „Bedürfnisse.“ Die Gewaltfreie Kommunikation geht davon aus, dass jeder Mensch so handelt wie er handelt, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Bleiben seine Bedürfnisse unbefriedigt, ist er frustriert, ärgerlich oder wütend und reagiert mit Angriffen, Urteilen und Vorwürfen. Kann ein Mensch dagegen seine Bedürfnisse befriedigen, ist er entspannt, fröhlich und energiegeladen – und eben hochmotiviert, seine Aufgaben zum Wohl aller zu erledigen. Ziel in einem Unternehmen sollte also sein, die Voraussetzungen zu schaffen, dass jeder Beschäftige sich seine Bedürfnisse erfüllen kann. Was ganz klar nicht heißt, dass jeder machen kann, was er will.

Eine gute Lösung für alle

Sabine, Rica und Christian wollen die Fortbildung machen, nur einer kann gehen. Üblicherweise würde eine Vorgesetzte nun entscheiden, wer den Zuschlag bekommt. Naheliegend ist, dass Rica zum Workshop darf – immerhin hat sie den Kundentermin vor der Brust und soll den großen Auftrag für die Firma an Land ziehen. Christian wäre hochgradig frustriert, weil er schon wieder in die Röhre guckt und von Sabine könnte sich die Chefin nicht nur für das Sabbatical, sondern ganz für den Rest ihres Arbeitslebens verabschieden. Damit würde sie eine hochqualifizierte Mitarbeiterin verlieren. Mit der GFK im Hinterkopf geht ein Chef anders an die Sache heran. Er findet zunächst einmal heraus, welche Bedürfnisse hinter dem Willen der Mitarbeiter stehen, zu dieser Fortbildung zu gehen.

Er lädt Sabine, Christian und Rica zu einem Gespräch ein, lässt jeden einzelnen reden und hört empathisch zu. Empathisch Zuhören ist anders als das Zuhören, das wir so gewohnt sind. Beim Empathischen Zuhören lässt der Chef seinen Mitarbeiter erst einmal sprechen, ohne ihn zu unterbrechen. Christian sagt zum Beispiel: „Nie bekomme ich die Fortbildungen, die man mir versprochen hat. Das ist doch echt Mist so. Man kann sich hier auf gar nix mehr verlassen. Immer wird geplant und im letzten Moment wieder alles über den Haufen geworfen.“ Statt sauer auf die Vorwürfe im Gesagten zu reagieren, bringt der Chef das Ganze auf die Sachebene zurück: „Zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres klappt unsere Fortbildungsplanung nicht so wie wir uns das vorgestellt haben.“ Dann versucht er, hinter dem Gesagten Christians Gefühle und Bedürfnisse herauszufiltern: „Sie sind frustriert, weil Sie sich Verlässlichkeit und Planbarkeit wünschen.“

Vier Schritte zum Glück

Indem der Chef in eigenen Worten wiederholt, was Christian gesagt hat, stellt er sicher, dass beide über dasselbe reden. Außerdem lässt er sich auf die Perspektive seines Mitarbeiters ein. Statt zu sagen: „Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt. Was heißt denn, man kann sich hier auf nix mehr verlassen, das ist ja wohl eine Frechheit. Ich kann doch auch nix für die Grippewelle!“ forscht der Chef nach, was hinter den Worten von Christian steckt: nämlich Frust, weil der sich mehr Verlässlichkeit und Planbarkeit wünscht. Hätte der Chef mit „Frechheit!“ reagiert, wäre Christian vermutlich weiter in eine Angriffshaltung gegangen. Stattdessen fühlt sich Christian nun verstanden und sagt: „Ja, das stimmt.“ So kann der Chef ihm ein Angebot machen: „Wir buchen für Sie den nächsten Workshop in drei Monaten. Sie bekommen von mir die schriftliche Zusicherung, dass Sie auf jeden Fall die Fortbildung besuchen können – auch wenn dann eine Corona-Virus-Welle kommen sollte oder irgendetwas anderes. Wäre das so für Sie in Ordnung?“ Weil es Christian gar nicht um den wirklichen Zeitpunkt des Workshops geht, sondern um sein Bedürfnis nach Planbarkeit und Verlässlichkeit, stimmt er dem zu.

Die Gewaltfreie Kommunikation arbeitet im Grundsatz immer mit diesen vier Schritten: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte. Sie hören ihrem Gesprächspartner zu, trennen das Gesagte von dessen Bewertungen, Vorwürfen und Verurteilungen und formulieren eine einfache und neutrale Beobachtung: „Innerhalb eines halben Jahres klappt unser Fortbildungsplanung zum zweiten Mal nicht.“ Dann filtern Sie das Gefühl ihres Gegenübers heraus: „Sie sind frustriert“ und kommen zu seinen Bedürfnissen „weil Sie sich Verlässlichkeit und Planbarkeit wünschen.“ Dann formulieren Sie eine Bitte, bzw. machen ein Angebot: „Ich gebe ihnen schriftlich, dass Sie die nächste Fortbildung besuchen.“ und fragen ihren Gesprächspartner, ob er damit einverstanden ist: „Wäre das so für Sie in Ordnung?“

Mitarbeiter finden selbst Lösungen

Christians Konflikt ist gelöst, damit ist er schon raus aus dem Spiel. Bleiben noch Rica und Sabine, die um die Fortbildung ringen. Rica ist genervt (Gefühl), weil sie ein großes Bedürfnis danach hat, sich weiterzuentwickeln und besorgt (Gefühl), weil sie sicher sein will (Bedürfnis), dass man sie wegen des Sabbaticals nicht abschreibt als Mitarbeiterin. Sabine dagegen ist unsicher (Gefühl), weil sie sich den großen Kunden noch nicht wirklich zutraut und sehnt sich nach Unterstützung (Bedürfnis). Der Chef lässt die beiden sich austauschen und moderiert den Prozess nur dahingehend, dass er immer wieder Beobachtungen von Bewertungen trennt und Rica und Sabina auf ihre Gefühle und Bedürfnisse zurückwirft. Am Ende kommen die beiden selbst auf eine Lösung: Sabine schlägt Rica vor, dass diese den Workshop macht. Das hat den Vorteil, dass Sabine sich intensiv auf den Kundentermin vorbereiten kann. Wenn Rica von dem Seminar zurückkommt, schaut sie sich das Konzept von Sabine an und berichtet ihr, was sie bei dem Workshop gelernt hat. Gemeinsam überlegen die beiden, wie sich das Konzept für den Kunden mit Hilfe des Gelernten optimieren lässt.

Win-Win-Win-Win

Mit dieser Lösung hat das Team gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Es ist ein Win-Win-Win-Win-Situation entstanden: Der Chef hat gewonnen, weil alle Mitarbeiter sich gehört und verstanden fühlen und alle mit der Lösung zufrieden sind. Christian weiß genau, wann er zur nächsten Fortbildung kommt. Rica kann sich weiterentwickeln und hat die Sicherheit, dass ihr Chef trotz Sabbatical an ihr festhält. Sabine kann sich ohne Fortbildungs-Stress auf den Kundentermin vorbereiten, profitiert trotzdem von dem Workshop und bekommt außerdem Unterstützung von einer Kollegin und fühlt sich dadurch gleich viel sicherer. Auch andere Lösungen wären denkbar gewesen. Wenn Ricas Bedürfnis vor allen Dingen Weiterentwicklung ist, dann wäre es zum Beispiel auch möglich gewesen, sie zu einem anderen interessanten Workshop zu schicken. Dann hätte Sabine die ursprünglich geplante Fortbildung machen können. Das ist das Schöne an der Gewaltfreien Kommunikation: Reden wir über unsere Bedürfnisse, so ergibt sich nie nur eine Lösung - sondern immer eine ganze Reihe verschiedener Strategien.

GFK: Mehr Haltung als Methode

Die GFK lässt sich natürlich nicht nur in Mitarbeitergesprächen anwenden, sondern auch im Gespräch mit Kunden. Sei es, um wirklich bedarfsorientierte Angebote zu erstellen und damit den Kunden glücklich zu machen oder sei es, um an der Hotline unzufriedene Kunden wieder zu zufriedenen und damit zu treuen Kunden zu machen. Es erfordert allerdings Übung und Anleitung – immerhin haben wir ein Leben lang ganz anders kommuniziert. Für einen Einstieg empfiehlt sich Literatur, wollen Sie GFK in Ihrem Unternehmen implementieren, helfen Ihnen Inhouse-Schulungen oder externe Ausbildungsangebote weiter. Lassen Sie sich auf die Gewaltfreie Kommunikation ein, werden Sie schnell feststellen, dass auch zu Hause bei den immer wieder auftretenden Konflikten um „Wer räumt hier eigentlich was auf?“ und „Mach endlich Deine Hausaufgaben und zwar jetzt!“ die Gewaltfreie Kommunikation wahre Wunder wirkt. Dabei geht es nicht nur darum, die Bedürfnisse der anderen zu befriedigen, sondern die aller Beteiligten, also auch Ihre! Der Begründer der GFK, der promovierte Psychologe Dr. Marshall Rosenberg, hat auf der ganzen Welt in Krisen- und Kriegsgebieten als Vermittler mit genau dieser Methode zwischen Konfliktparteien vermittelt. Und was Frieden bringt in bewaffneten Konflikten bringt erst recht Frieden in unsere kleinen tagtäglichen Scharmützel in Beruf und Privatleben.

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Sylvia Homann

war fast zwei Jahrzehnte Radio-Moderatorin bei Radio Hochstift in Paderborn und ist seit einigen Jahren zertifizierte Qualitätsmanagerin nach der Norm ISO 9001:2015. Sie berät u. a. Dienstleistungsunternehmen und Bildungseinrichtungen in Sachen Kommunikation, Qualitätsmanagement und Arbeitsorganisation. Darüber hinaus bietet sie auch Workhops und Inhouse-Schulungen an – zum Beispiel zu den Themen Kundenorientierung, gute Führung, Leitbild und Kommunikation. Im Frühjahr 2019 hat sie gemeinsam mit drei anderen Autoren ein Buch über Qualitätsmanagement für Medien geschrieben: „Qualität managen. Das ISO-Handbuch für Kreative in Medien.“ In ihrem Podcast "QM-Quickie" geht's um kleine und einfache Methoden für eine bessere Arbeitsorganisation. Sie ist zudem Teamleiterin Moderation bei HR1 in Frankfurt am Main.