Digitale Nomadin nach der Elternzeit - Baby, ich arbeite, wo und wann ich will

Von Friderieke Schulz, veröffentlicht am 18. Oktober 2022

New Work und Remote arbeiten sind viel besprochene Begriffe in der Arbeitskultur der vergangenen Jahre und haben mit der Pandemie unter Homeoffice ihren Weg in die meisten Branchen gefunden. Während es für viele Menschen inzwischen wieder zurück an die alten Arbeitsplätze geht, werde ich weiter zu Hause, im Garten, am Strand oder im Büro in Berlin sitzen und meine Arbeit erledigen. Ich bin das, was man eine digitale Nomadin nennt. Mein Arbeitsplatz ist überall, wo ich eine Steckdose und Wifi finde. Mein Kind und die Elternzeit brachten mich in diesen Status und ich kann mir heute nicht mehr vorstellen, anders zu arbeiten. Ich erzähle dir, warum, wie es gelingen kann und worauf du achten kannst.

Zurück in den Job: Wie fängt man an?

Ich bin kein Mensch, der akribisch plant. Ich lasse die Dinge gerne auf mich zukommen. Für den beruflichen Wiedereinstieg ist eine Mischung aus beidem der goldene Weg, den ich jeder werdenden Mutter auch empfehlen würde. Die Schwangerschaft ist meiner Meinung nach nicht der richtige Zeitpunkt, um seinen beruflichen Wiedereinstieg zu planen - insbesondere beim ersten Kind nicht. Denn die Veränderung, die das Baby in das eigene Leben bringt, ist nicht kalkulierbar. Ich hatte zum Beispiel erwartet, dass meine beruflichen Ambitionen verblassen, ich vollends in der Babybubble verschwinde und mir einen Einstieg nach einem Jahr Elternzeit nicht vorstellen kann. Das Gegenteil war der Fall. Vielleicht ist es bei dir genauso, vielleicht ganz anders. Beides ist vollkommen ok.

Viele Arbeitgeber erwarten schon bei der Verkündung der Schwangerschaft, dass du den Masterplan für deinen Wiedereinstieg in der Tasche hast. Aber das musst du nicht und du solltest dich auch nicht zu Zusagen drängen lassen. Es ist voll ok, wenn du dir Bedenkzeit einräumst. Natürlich musst du irgendwann kommunizieren, wie lange du in Elternzeit gehen möchtest. Lass dir dabei aber auch die Option offen, sie zu verkürzen oder zu verlängern. Wenn das Baby da ist und die ersten Wochen und Monate vergangen sind, bekommst du ein Gefühl dafür, was für dich und euch richtig ist.

Ich hatte recht schnell das Gefühl, dass ich wieder arbeiten möchte und nicht nur 24/7 meinen Kosmos um Windeln und den ganzen Babystuff drehen möchte. Daher habe ich schon früh begonnen, die Weichen für den beruflichen Wiedereinstieg zu stellen. Für mich war schnell klar, dass ich keine Festanstellung mehr anstrebte und ich lieber freiberuflich arbeiten möchte. Ich habe zunächst kleinere Projekte und Artikel übernommen und mir dafür Zeitfenster gesucht, in denen ich eine Kinderbetreuung sichergestellt hatte. Den Löwenanteil teile ich mir mit meinem Partner, außerdem haben wir einen Kitaplatz und eine große Familie und tolle Freunde, die alle gern Zeit mit unserem Kind verbringen. Sie alle haben wir schon recht früh eingebunden. Zunächst für ein bis zwei Stunden, dann Schritt für Schritt auch länger. Diese Zeit habe ich dann genutzt, um meine berufliche Tätigkeit auszuweiten. So war es für mich und mein Kind ein sanfter Wiedereinstieg. Für uns der beste Weg, den ich jedem empfehlen würde. Dabei habe ich neben meiner Arbeit auch nie das Arbeitspensum meines Partners aus dem Blick verloren. Keiner von uns sollte das Gefühl haben, zwischen Kinderbetreuung und Arbeit zu springen und das hat bis heute super geklappt.

Als ich ein Jobangebot erhielt, dass mich fest für mehrere Stunden die Woche eingeplant hatte, war das natürlich erst mal ein Sprung ins kalte Wasser und es gab auch Tage, an denen nix lief. Aber insgesamt waren wir gut vorbereitet und gerade meine Abwesenheit auch über mehrere Tage war so gut eingespielt, dass alles immer super geklappt hat. Ich würde es immer wieder so tun.

Muttersein und Karriere: Wie kriegt man alles unter einen Hut?

Indem man es tut und eine klare Trennung beider Bereiche voneinander schafft. Klappt nicht immer, aber meistens sehr gut. Wenn ich arbeite, dann arbeite ich auch und bin ganz fokussiert. Ich hatte vorhin ja schon erwähnt, dass ich kein Mensch bin, der gerne plant. Aber gerade für die Vereinbarkeit musste ich das lernen. Auch dabei hat mir mein Partner sehr geholfen, der da echt besser aufgestellt ist als ich. Es ist vollkommen okay, sich dabei Hilfe von jemanden zu holen, der da stark und kompetent ist. Generell sollte man sich nicht scheuen, auch nach Hilfe zu fragen. Wenn es nicht geht, kommuniziert das Gegenüber das. Meist helfen Familie und Freunde gern.

Planung ist jedoch der zentrale Punkt. Zu festen Zeiten plane ich zunächst meinen Monat grob vor, dann die Woche und letztlich jeden Tag. Ich schaue, wann Termine sind, die nicht flexibel sind und die ich gut vorplanen muss. Wann habe ich zum Beispiel Termine in Berlin, wer kann die Kinderbetreuung übernehmen, wie kombiniere ich fixe Termine mit flexiblen, um die Zeit möglichst produktiv zu nutzen. Flexible Zeitfenster plane ich spontaner, manchmal auch erst am Morgen eines Tages.

Außerdem habe ich feste Routinen entwickelt. Ich arbeite zum Beispiel während der Kitazeiten und habe außerdem einen festen Tag in der Woche, wo ich nicht von zu Hause arbeite und mir einen ganzen Tag Zeit für meine Arbeit nehme. An diesem Tag erledige ich gerne größere Projektarbeiten, für die ich mich stundenlang fokussieren möchte und muss, ohne abgelenkt zu werden. Dasselbe tue ich aber auch fürs Muttersein. Ich habe feste Tage und Zeitfenster, in denen meine Zeit meinem Kind gehört und die Arbeit keinen Raum findet.

Der Schlüssel für beides ist neben der Planung eine klare Kommunikation zu allen Seiten. Meine Auftraggeber wissen, wann ich erreichbar bin und wann nicht und das respektiert jeder. Auf der anderen Seite weiß mein Partner oder andere Betreuungspersonen, wann ich fokussiert arbeite und nur im Notfall gestört werden möchte. Das klappt bei uns super und sorgt für eine entspannte Balance zwischen meinem Muttersein und dem Wunsch meiner beruflichen Selbstverwirklichung.

Wo arbeitest du als digitale Nomadin?

Meine Basis ist mein Büro bei mir zu Hause. Es ist mein Ort, den ich für mich gestaltet habe, an dem ich mich wohlfühle und mich gut konzentrieren kann. Für mich funktioniert das super und ich kann mich hier sehr gut konzentrieren. Einmal die Woche habe ich ein externes Büro, wohin ich mich zurückziehe und den ganzen Tag sehr fokussiert arbeiten kann. Ich genieße diese kreativen Powertage sehr.

Außerdem arbeite ich gerne von überall. Wenn ich Termine in anderen Städten habe, fahre ich bevorzugt mit dem Zug, um diese Zeit zum Arbeiten nutzen zu können. Das Schöne an meinem Arbeitsleben ist, dass ich außer einer Steckdose und meinem Laptop nichts brauche und somit räumlich total flexibel bin. Auch in Hotels kann ich meistens gut arbeiten oder ich suche mir ein schönes Café mit gutem Kaffee und versinke dort für ein paar Stunden in meine Arbeit. Mache ich manchmal übrigens auch zu Hause, wenn ich das Gefühl habe, mal einen Ortswechsel zu brauchen.

Gelegentlich verbinde ich auch eine Auszeit mit der Arbeit. Ich fahre dann mit meinem Kind für ein paar Tage zum Beispiel an die See und nutze Mittagsschlaf und Abendschlaf für die Arbeit. Wenn ich nicht allein fahre - zum Beispiel mit einer Freundin oder meinem Partner - helfen auch da klare Absprachen. Ich kommuniziere im Vorfeld, dass ich arbeiten muss und wie viel Zeit ich dafür einplane. Dann besprechen wir, wie wir dies integrieren können und jeder weiß Bescheid. Bisher hat das immer super geklappt. Nennt man übrigens Workation und sollte man viel häufiger machen. Ist großartig und kann ich wirklich jedem empfehlen.

Kind ist krank: Wie klappt es da noch mit der Arbeit?

Natürlich hat mein Kind in so einer Situation absoluten Vorrang. Dafür hat aber auch jeder Auftraggeber großes Verständnis und falls nicht, würde es sich für mich auch nicht um den richtigen Auftraggeber handeln. Auch im Krankheitsfall ist Kommunikation der Schlüssel. Liegt mein Kind mit Fieber flach, beginnen mein Partner und ich direkt zu schauen, wer heute was dringend erledigen muss, was nicht aufgeschoben werden kann und wie wir das unter einen Hut kriegen. Natürlich sind solche Tage mal etwas stressiger, weil sie immer plötzlich kommen. Doch bisher haben wir das immer gut hingekriegt.

Alles, was nicht sofort erledigt werden muss, kann dann auch liegen bleiben und das tut es dann auch. Bislang habe ich aber noch keine Abgabe verpasst, weil mein Kind krank war. Und wenn es so richtig flach liegt, dann gilt ja eh die Ausnahme und dann kann ich mich auch gut mal mit dem Laptop zum Kind ins Bett legen und während es schläft oder einen Film schaut, arbeiten.

Welche Potenziale hat diese "lockere" Arbeitsweise für Arbeitgeber? Bist Du produktiver? Wird jeder produktiver?

Ich empfinde mich auf jeden Fall als viel kreativer, denn ich bin nicht in ein festes Zeitfenster gebunden, sondern kann mir meine Arbeit in die Zeit legen, in der ich produktiv bin. Jeder Mensch hat eine andere Tageszeit und unterschiedliche Zeitfenster, an denen er produktiv ist. Ich sehe großes Potenzial in dieser freien Einteilung. Wenn ich im Flow bin, schaffe ich in vier Stunden mehr als an einem Arbeitstag mit acht Stunden, an dem ich nicht kreativ bin oder sogar über Stunden keine produktive Phase habe. Was bringt es einem Arbeitgeber, seinem Arbeitnehmer acht Stunden hinter einem Bildschirm zu wissen, egal ob er währenddessen produktiv ist oder nicht? Dann doch lieber flexible und ergebnisorientierte Arbeit.

Ich weiß nicht, ob das etwas für jeden ist. Es gibt sicher auch viele Menschen, die diese Routine und feste Struktur brauchen und für die Flexibilität nicht die Produktivität fördern würde. Nicht jeder kann Ablenkungen gut ausschalten und so zum Beispiel im Zug oder in einem Café arbeiten, wenn die Geräuschkulissen nicht super leise ist. Mir gelingt das sehr gut. Ein Versuch ist es für jedermann wert.

Warum sollten Arbeitgeber mehr mit solchen "Nomaden-Jobs"/flexiblen Jobs werben?

Ich denke, man findet mit solchen Angeboten letztlich auch viele gute Leute. Ich könnte mir zum Beispiel inzwischen nicht mehr vorstellen, irgendwo fest angestellt und mit festem Arbeitsort zu arbeiten und würde solche Angebote daher kategorisch ablehnen. Ich glaube, dass inzwischen viele Arbeitnehmer gerade im kreativen Bereich so denken und sich Arbeitgeber mit starren Arbeitszeit- und Arbeitsortsmodellen in der Auswahl von tollem Personal selbst limitieren. Je flexibler die Arbeit, umso mehr gute Leute sind interessiert. Und je glücklicher der Arbeitnehmer ist, desto besser sind auch die Ergebnisse.

Wie "behauptet" man sich in seinem Team in seiner Position, wenn man nicht permanent vor Ort ist?

Ich denke, dass Leistung jede Abwesenheit schlägt. Ich arbeite zum Beispiel in einem tollen Frauennetzwerk mit und obwohl wir uns hin und wieder auch persönlich sehen, arbeiten wir die meiste Zeit nur digital miteinander und die Ergebnisse sprechen für sich. Je klarer Positionen und Funktionen kommuniziert sind und dann auch entsprechende Ergebnisse geliefert werden, desto stabiler wird das Konstrukt der Zusammenarbeit. Niemand ändert die Besetzung eines Erfolgsteams oder stellt jemanden infrage, der seine Position vollkommen erfüllt und ausfüllt. Natürlich geschieht das nicht über Nacht und es folgen gerade zu Beginn auch Umstrukturierungen und dabei kann es auch mal mächtig ruckeln. Doch wenn die Kommunikation miteinander stimmt, dann spielt der Arbeitsort keine Rolle.

Fazit

Remote arbeiten ist gerade aus der Kreativbranche nicht mehr wegzudenken und wird meiner Meinung nach in den nächsten Jahren noch viel stärker. Für das Gelingen sind viele Faktoren entscheidend, gerade wenn man Kinder hat. Zentral ist eine gute Planung sowie klare Kommunikation. Gelingt das, hat die Flexibilität viele Vorteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

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Friderieke Schulz

ist ausgebildete Redakteurin und arbeitet als freiberufliche Autorin, Texterin und Kreativassistentin. Sie lebt in Ostwestfalen und arbeitet bundesweit an Projekten.