Der ständige Blick aufs Smartphone – ein Selbsttest von Radio Lippe

Jeden Morgen begleiten „Die Vier von Hier“ von Radio Lippe die Hörer beim Start in den Tag. Konkret sind das die Moderatoren Mara Wedertz, Mario Lüke, Pia Schlegel und Matthias Lehmann. Die vier beschäftigte jetzt eine neue Studie, die in Kooperation mit der Universität München durchgeführt wurde: Sie belegt, dass die Abhängigkeit vom Smartphone immer stärker zunimmt. Demnach verbringen ein Viertel aller „Millenials“ (zwischen 1980 bis 1999 Geborene) über fünf Stunden des Tages mit ihrem Handy, ebenfalls 25 Prozent überprüfen es mehr als 100 Mal am Tag. Die Zahlen klingen erstmal ziemlich hoch. Aber seien Sie mal ehrlich - schauen Sie nicht auch oft aufs Display, ob evtl. eine Nachricht eingegangen ist? Radio Lippe wollte es genau wissen und startete am 6. November den Selbsttest: Wie oft schauen wir aufs Handy? Dazu luden sich die Moderatoren und Hörer die kostenlose App „RealizD“ auf ihr Smartphone. Diese misst, wie oft das Gerät aus dem Ruhemodus geholt wird, in welchen Abständen und zu welchen Tageszeiten. Und sie ermittelt so, wie viele Minuten am Tag es tatsächlich genutzt wurde.

Wir haben mit Moderatorin Pia Schlegel über den Test und das Ergebnis gesprochen:
Pia, wie ist dein ganz persönlicher Selbsttest gelaufen?
"Insgesamt sehr aufschlussreich - vor allem, weil diese App gnadenlos ehrlich ist. Natürlich hat man am Anfang immer im Hinterkopf, dass die App die eigene Smartphone-Nutzung trackt. Ich musste mich zwingen, nicht so oft daran zu denken, weil ich ja sonst das Ergebnis verfälscht hätte. Ich habe also versucht, mein Handy so normal wie möglich zu nutzen. Dabei habe ich aber tatsächlich erstmal bewusst wahrgenommen, wie oft ich es mal eben so zur Hand nehme."
Hat dich das Ergebnis überrascht oder sogar schockiert?
"Mir war schon vor dem Test bewusst, dass ich mein Handy oft und viel in der Hand habe. Bei uns im Programm musste ich zum Start eine Schätzung abgeben und habe - so dachte ich - sehr großzügig auf 90x Handy aus dem Ruhemodus holen pro Tag getippt. Dass es tatsächlich rund 90x waren, hat mich dann doch überrascht, weil ich dachte, dass dieser Wert sehr hoch gegriffen sei.
Schockiert war ich eher bei einem anderen Wert - in welchen zeitlichen Abständen ich das Handy in die Hand nehme. Wenn du auf einmal schwarz auf weiß da stehen hast, dass du im Schnitt mindestens einmal pro halbe Stunde dein Handy zur Hand nimmst und damit ja auch logischerweise vom Kopf her gerade bei deinem Smartphone bist, finde ich das im Nachhinein schon bedenklich."
Die Ergebnisse
Bei Frühmoderatorin Mara Wedertz lag die Handynutzung bei über 100 Mal am Tag, Kollege Mario Lüke kam sogar auf 138 Mal. Er griff am Test-Tag alle acht Minuten zum Smartphone. Auch die Hörer, die mitmachten, kamen auf hohe Werte. Hörerin Sabine vermutete auf der Facebook-Seite von Radio Lippe schon im Vorfeld „Ich hab die App mal geladen. Wahrscheinlich fall ich dann morgen Abend in Ohnmacht!“ und Hörer Dirk bemerkte zu seinem Ergebnis nur „Ich schaue eindeutig zu oft drauf.“ Auch wurden unter den Zuhörern Vermutungen angestellt, warum sie eigentlich so oft aufs Smartphone schauen.
Ihr habt bei Radio Lippe auch mit einem Psychologen über das Thema gesprochen, welche Erklärung hat er dafür, dass wir so oft auf das Smartphone schauen?
"Wir haben darüber mit dem Gütersloher Suchttherapeuten Christian Groß gesprochen, er betreut medienabhängige Menschen und weiß natürlich, wie schnell das Smartphone zur Sucht werden kann. Aus seiner Sicht gibt es vor allem zwei Gründe dafür, dass wir ständig unser Handy checken: Wir sind neugierig und wir wollen unterhalten werden. Sein Alltagsbeispiel ist der Straßenverkehr - im Stau oder an der roten Ampel empfinden wir das Warten als langweilig und innerlich angetrieben suchen wir nach Unterhaltung. Unsere instinktive Neugier lässt uns also aufs Handy gucken. Das ist bei diesem Beispiel natürlich besonders dramatisch, weil der Blick aufs Handy im Straßenverkehr eben extrem gefährlich ist. Noch eine Sache, die nach Meinung des Experten eine große Rolle spielt, ist unser Verlangen nach Anerkennung. Beispiel: Ich poste etwas bei Facebook, es kommen Likes und Kommentare usw. Ständig benachrichtigt mich mein Smartphone darüber, dass unter meinem Posting etwas passiert und das will ich natürlich verfolgen. Denn wenn viele reagieren, fühlt sich das einfach gut an."
Was hast du aus dem Test für dich mitgenommen?
"Dass meine vage Vorahnung, dass ich mein Handy vielleicht etwas zu oft in die Hand nehme, auch mit Zahlen belegbar ist. Die Tage, an denen ich die App meine Smartphone-Nutzung habe tracken lassen, waren für mich sehr aufschlussreich. Ich habe mir vorgenommen, bewusster zu kontrollieren, wie oft ich mein Handy checke, damit es weniger wird. Besonders erstaunt war ich über die Tatsache, dass ich, selbst wenn ich mein Handy auf laut oder auf Vibration stehen hatte, es ständig aus dem Ruhemodus geholt habe, um zu schauen, ob etwas passiert ist. Ich denke, dass ich mir jetzt bewusster gemacht habe, dass das wirklich unnötig ist, weil mein Handy mich ja hörbar benachrichtigt. In den Tagen nach dem Test habe ich das Ding auch mal ganz bewusst in der Tasche, einem anderen Raum oder zuhause gelassen, um mich zu entwöhnen - denn es gibt eben definitiv deutlich Wichtigeres als ein Smartphone."
Dem ist nichts hinzuzufügen - vielen Dank, Pia Schlegel, für das Gespräch!