Business Model Canvas - 9 Kernfragen zum verfeinerten Geschäftsmodell

Von Andreas Freund, veröffentlicht am 30. April 2019

Allein die Auswahl der passenden Methode benötigt Zeit. SWOT-Analyse, Porters Five Forces und Balanced Scorecard sind nur drei bekannte Optionen. Wegen ihres pragmatischen Ansatzes nicht nur im Mittelstand auf dem Vormarsch, ist die Methode „Business Model Canvas“. Erfahren Sie, wie Sie durch neun Fragemodule schnell Anreize erhalten, neue Geschäftsmodelle zu konzipieren und bestehende zu optimieren.

Segmentierung: Everybodys darling – macht das Sinn?

Viele Jäger sind des Hasen – Sie wissen, wie der Satz endet. Ähnlich verhält es sich auch mit Unternehmen, die zu viele Kundengruppen bedienen möchten, oder dies bereits tun. Es klingt auf den ersten Blick schroff, im Ergebnis ist es hingegen nicht verhandelbar: Nur durch profitable Kunden kann sich Ihr Unternehmen am Markt behaupten, und mit neuen Lösungen für bestehende und neue Kunden ein attraktiver Anbieter sein. Daher müssen Sie eine bewusste, manchmal vielleicht sogar harte Entscheidung treffen, und festlegen, auf welche Kunden Sie sich konzentrieren wollen – und auf welche nicht, bzw. nicht mehr. Fragen Sie sich im Rahmen dieser anspruchsvollen Segmentierung also nicht nur, wer gerade jetzt Ihre wichtigsten Kunden sind, sondern auch, für wen Sie zukünftig die erste Wahl sein wollen.

Nutzen: Zählbaren Mehrwert bieten – Perspektiven aufzeigen

Sie kennen die Probleme Ihrer Klientel und Sie bieten dafür Lösungen an; prima. Unabhängig von Globalisierung und Digitalisierung sind Sie aber nur in Ausnahmefällen der einzige Anbieter. Warum also sollte die Entscheidung genau für Ihre Produkte fallen? Wie vergleichbar sind Sie? An diesem Punkt geht es nicht nur um den Hauptnutzen Ihrer Lösung, sondern vielmehr um den Zusatznutzen. Dieser entsteht durch die Addition aller Produkte, Dienstleistungen und ergänzenden Services. Das Gesamtpaket muss überzeugen – und es muss sich vom Wettbewerb unterscheiden. Stellen Sie sich daher nicht nur die Frage, welche Bedürfnisse Sie heute befriedigen. Wichtiger ist es, Ihren Kundengruppen Lösungen für Morgen anzubieten. Seien es neue Produktinnovationen, oder seien es Zusatz-Angebote, die Ihren Kunden erst den Einstieg in neue Geschäftsfelder ermöglichen. 

Kommunikation und Vertrieb: Abgestimmt vorgehen - Streuverluste vermeiden

Tue Gutes und rede auch darüber. Das klingt einfach, und grundsätzlich ist es das auch. Internet und die Sozialen Medien haben die Kommunikationslandschaft rasant verändert. Unstrittig ist, dass kaum ein Unternehmen ohne eine ansprechende Website auskommt – wenn sie denn aktuell ist und das Motto „Mit drei Klicks zum Glück“ beherzigt, Videos einbindet und Zusatznutzen bietet, zum Beispiel  in Form von Anwenderberichten. Differenzierter sollten Sie hingegen die Social Media-Kanäle betrachten.

Ist Ihre Zielgruppe überhaupt auf XING oder LinkedIn, kennen potentielle Bewerber noch Facebook, oder tummeln sie sich überwiegend auf Instagram? Können unter Umständen der regelmäßige elektronische Newsletter, das quartalsweise erscheinende Kundenmagazin, die jährliche Hausmesse oder der Referenzbericht im Branchenmagazin viel mehr bewirken, als gesponsorte Posts? Wie und vor allem wo recherchiert und kommuniziert Ihre Kundschaft?  Suchen Sie Antworten auf diese Fragen, stellen Sie liebgewonnene Kommunikationskanäle in Frage. Vor allem aber, messen und bewerten Sie das Ergebnis Ihrer Kommunikationsaufwände. Ja, das Ziel heißt neben Branding mit Sicherheit auch Lead Conversion.

Warum ist das wichtig? Weil Sie sich ebenso in puncto Ihrer Vertriebswege hinterfragen müssen. Welche Vertriebskanäle nutzen Sie zurzeit, und mit welchem Erfolg? Ist es möglich, Verkaufserfolge zu steigern, indem Sie Ihr Vertriebsmodell ändern, und sei es nur für ein spezielles Produkt, oder eine spezielle Zielgruppe? In jedem Fall ist es Ihre Aufgabe, im Rahmen der strategischen Überprüfung oder Neuausrichtung ein harmonisiertes Vorgehen zwischen Marketing und Vertrieb sicherzustellen.

Kundenbeziehungen: Aus den Augen – aber stets im Sinn

Am Anfang steht die Neukundengewinnung. Paradoxerweise hat ausgerechnet die DSGVO in vielen Unternehmen zu einem neuen Denken geführt. Vorbei die Zeit der unsäglich unpersönlichen Massen-Mailings: Adé, ihr inhaltlosen Werbebriefe. Willkommen in der Welt der zielgerichteten Kundenansprache; gerne auch auf intelligente Art automatisiert. Entscheidend bleibt nämlich nicht das Werkzeug, das sie nutzen, sondern Ihr Plan, wie Sie dem ersten Schritt zur Kontaktaufnahme weitere Schritte folgen lassen wollen. Nur so wird aus Neukundengewinnung das, wonach Sie in erster Linie streben sollten: Kundenbindung!

Hinterfragen Sie deshalb Ihren gegenwärtigen Ansatz. Welche Beziehung erwarten Ihre Kunden, persönlich, automatisiert, in welcher Frequenz und mit welcher Qualität? Können Sie diese Erwartung sowohl organisatorisch, als auch finanziell stemmen? Zudem ist nicht immer alles, was die Kundschaft erwartet, auch tatsächlich absatzfördernd. Lassen Sie Ihren kaufmännischen Sachverstand nicht durch ein „Wunschkonzert“ aushebeln. Beginnen Sie aber in jedem Fall mit der Frage nach Ihrer aktuellen Kundenbeziehung. Ist diese, laut Ergebnis einer Kundenumfrage, Wiederkaufsraten, Weiterempfehlungsraten etc. top, haben Sie bereits Vieles richtiggemacht. Ist das Gegenteil der Fall, wissen Sie, wo Sie ansetzen müssen.

Einnahmen: Einmalig oder wiederkehrend – preisgetrieben oder wertbasiert

„Money makes the world go round“ – diese Erkenntnis ist deutlich älter als die Verfilmung des Musicals Cabaret. Von ihrer Aktualität hat sie nichts eingebüßt. Starten Sie also mit einer Analyse: Welchen Beitrag liefern die einzelnen Einnahmequellen zum Gesamtergebnis. Woher sollen weitere Einnahmen Ihres Unternehmens kommen? Wenn Sie sich bis dato für Einnahmen aus einem einmaligen Kundenkontakt entschieden haben, sollten Sie die Option wiederkehrender Zahlungen durchdenken. Das geht nicht? Haben Sie denn wirklich die Gewissheit, dass Ihre Kunden nicht doch bereit wären, für spezielle Leistungen ein anderes attraktives Zahlungsmodell zu akzeptieren? Die Attraktivität bezieht sich selbsterklärend auf beide Vertragsparteien.

Dieser Punkt führt zu einer weiteren interessanten Frage: Für was sind Ihre Kunden wirklich bereit zu zahlen? Finden Sie es heraus, erschließen Sie sich über diesen gedanklichen Ansatz unter Umständen Einnahmequellen, an die Sie bislang noch nicht gedacht haben. Stimmt, Preismodelle zu erarbeiten, ist harte Arbeit – dennoch schadet es nicht, etwas abseits von Listenpreisen, Rabattierungen und Boni über neue Modelle nachzudenken, die Ihre Finanzkraft nachhaltig stärken könnten.

Ressourcen: Was macht einen Unterschied – was nicht

In der Natur Ihres Geschäftsmodells liegt, welche Ressourcen Sie grundsätzlich benötigen, und welche eher nicht. Lenken Sie Ihren Blick bei der strategischen Betrachtung daher auf die entscheidenden Details. Wenn Sie planen, neue regionale Märkte zu erschließen, müssen Sie tiefer einsteigen, als wenn Sie normales Wachstum planen. Wie ist es um Ihre finanziellen Ressourcen bestellt, macht eine Fremdfinanzierung Sinn? Wenn ja, in welcher Höhe, und was bedeutet das zwangsläufig für die Unternehmensergebnisse der kommenden Jahre?

Zunehmend bedeutsam wird die Personalplanung. Digitalisierung hin oder her, ohne Menschen wird es nicht gehen. Diese müssen qualifiziert sein. Ist Ihr Unternehmen entsprechend aufgestellt und hat ein internes Entwicklungsprogramm? Wie abhängig sind Sie an neuralgischen Wertschöpfungspunkten von einzelnen Mitarbeitern? Bei allem, was Sie planen und in Erwägung ziehen, bleiben Sie objektiv.

Ein neuer Mitarbeiter wird vermutlich erst nach gezielter Einarbeitung den erhofften Beitrag leisten können. Kreditkonditionen mögen historisch niedrig sein, im Kontext eines volatilen Geschäftsmodells, ist das aber nicht wirklich beruhigend. Und bleiben Sie bei Ihrer Ressourcenplanung standhaft. Lassen Sie sich von der Notwendigkeit und dem Zusatznutzen beantragter neuer Ressourcen überzeugen. Darüber seien Sie unbequem und fragen Sie sich, ob auf Ressourcen verzichtet werden kann, ohne dass es einen negativen Effekt für Ihre Kunden, Ihren Vertrieb sowie Ihre Einnahmesituation hat.

Partner: Potential erhöhen – Netzwerk nutzen

Kaum ein Geschäftsmodell kommt heute noch ohne strategische Partnerschaften aus. Die Gründe liegen auf der Hand: Kürzere Entwicklungszeiten, breiteres Portfolio, Zugang zu neuen Märkten und Einstieg in neue Kundengruppen. Mit weniger Ressourceneinsatz und geringerem Risiko schneller und planbarer zu mehr Erfolg; das zeichnet Win-win-Partnerschaften im Ergebnis aus.

Hinterfragen Sie daher ohne Wenn und Aber Ihre Beziehungen zu wichtigen Partnern und Lieferanten. Was ist der besondere Nutzen dieser Partnerschaft für Ihr Dienstleistungsangebot, den Einkauf von Ressourcen, oder die Übernahme von Vertriebsaktivitäten? Partnerschaften auf den Prüfstand zu stellen, bedeutet aber auch, Ihr eigenes Engagement kritisch zu hinterfragen. Wie ernst nehmen Sie es mit der gelebten Partnerschaft? Haben Sie bereits das Bestmögliche aus der Kooperation herausgeholt für Ihre Kunden, für Ihren Partner, für sich? Außerdem: Welche weiteren potentiellen Partner bieten sich an, um mit einem Schlag neue Märkte und Kundengruppen zu erreichen, ohne sich dabei zu übernehmen? Das Thema Partnerschaften hat es definitiv verdient, von Ihnen ganz besonders intensiv analysiert zu werden.

Kostenstruktur: Transparenz schaffen – bewusst optimieren

Nachdem Sie Ihr aktuelles oder zukünftiges Geschäftsmodell mittels der Bausteine eins bis acht durchleuchtet haben, folgt der letzte Schritt, die Betrachtung der Kosten. Priorisieren Sie und werden Sie sich darüber im Klaren, welche Positionen für Sie am Wichtigsten sind. Wo verursacht Ihr Geschäftsmodell Ausgaben, ohne dass Sie großen Einfluss nehmen können? Bei den Ressourcen mag das bereits anders aussehen, wenn Sie sich alternativ mit Outsourcing oder temporärer Verlagerung von Leistungen auseinandersetzen. Zu guter Letzt: Welche Kostenart bietet Ihnen Flexibilität, was haben Sie selbst in der Hand. Marketingaktivitäten gehören ebenso dazu, wie kostenreduzierende Kooperationen. Fakt ist, je transparenter die Kosten sind, desto schneller können Sie steuern und desto selbstbestimmter sind Sie in der Justage Ihres Geschäftsmodells.

Business Model Canvas – Vor- und Nachteile

Löst die Strategie-Methode Business Model Canvas alle Probleme und gibt sie Ihnen Antworten auf alle Fragen? Klares Nein an dieser Stelle. Wenn Sie schnell, intuitiv und in Form einer „Tapete“ nachvollziehbar visualisiert Ihr Team mit auf die Strategie-Reise nehmen wollen, haben Sie aber eine gute Wahl getroffen. Sie werden Zusammenhänge gut darstellen können und verfügen anschließend über eine hervorragende Ausgangslage für die Umsetzung einzelner Maßnahmen. Der besondere Vorteil und Nutzen liegt nämlich an der strikten Kundenorientierung sowie am besonderen Mehrwert, den Ihr Unternehmen bietet. Dagegen steht, dass sich die einzelnen Bausteine teilweise überschneiden. Eine haarscharfe Trennung ist nicht immer möglich. Auch betrachtet dieses vereinfachte Modell Wettbewerbs- und Umfeldaspekte allenfalls am Rande.

Insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen, die sich zum ersten Mal strukturierter mit strategischen Fragestellungen und deren Umsetzung beschäftigen, ist Business Model Canvas mehr als eine Alternative. Und auch für Strategie-Profis bietet das Konzept ausreichend Ansätze, um strategische Handlungsfelder gezielt und schnell weiterzuentwickeln.

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Andreas Freund

...hat über 400 Messen, Ausstellungen und Konferenzen als Marketingleiter sowie Geschäftsführer international ausgerichteter KMU im B2B- sowie B2B2C-Bereich mitverantwortet. Regelmäßig teilt er sein Marketing-Wissen als Referent und Workshopleiter auf Industriekonferenzen. Der gebürtige Briloner lebt seit 1993 in Paderborn. Er verantwortet zurzeit die Verkaufsförderung eines Bielefelder Solartechnik-Anbieters.