Audiovisuelle Kommunikation: Komplizierte Vorgänge anschaulich vermitteln

Von Frank Terpoorten, veröffentlicht am 28. Februar 2023
Youtube geöffnet auf dem Tablet

So eindringlich wie eine Live-Vorführung

Mit audiovisueller Kommunikation? Ja, denn wir Menschen nehmen Informationen besser auf, wenn Gesehenes und Gehörtes zusammenwirken. Dann kann das Hirn die Signalreize zweier Sinne verknüpfen und daraus eine schlüssige Sinneinheit gestalten. Dieses Wirkprinzip spielen Handlingvideos und Erklärfilme voll aus: visuell präsentiert man einen Vorgang und erläutert dabei auditiv, worauf der Anwender achten muss.

So bieten Filme die gleiche Eindringlichkeit wie eine persönliche Vorführung durch einen Fachmann. Aber im Gegensatz zur Live-Präsentation kommen wir mit der Kamera auch an versteckte Stellen. Und den Film kann jede/r Interessierte 24/7 an jedem Ort anschauen – also zur Not auch auf der Baustelle!

Anschaulicher als jede Blättersammlung

Und dass filmische Anschaulichkeit jede gedruckte Bedienungsanleitung schlägt (weil diese mit Standbildern sowie z.T. missverständlichen Piktogrammen und Grafiken auskommen muss), belegt die Beliebtheit erklärender Videos auf YouTube – bei handwerklichen Themen ebenso wie für Software. Filme sind ein perfektes Marketingtool, um immer wieder auftretende Handlingfragen einmal sauber darzustellen, um diese z.B. auf YouTube dauerhaft zur Verfügung zu stellen.

Doch Vorsicht! Damit man Zuschauer nicht überfordert, sind klar ausgerichtete Konzeption und professionelle Umsetzung gefragt. (Klassische Fragen, die man vor jeder Aufnahme klären muss: Wer ist meine Zielgruppe? Welches Vorwissen haben die Zuschauenden? Wo sind die Schmerzpunkte? In welcher Situation wird der Film eingesetzt?)
Denn die hohe Informationsdichte audiovisueller Kommunikation kann im Umkehrschluss zu „cognitive overload“ führen (In einer Studie zu Lehrvideos im universitären Kontext konnte gezeigt werden, dass weniger visuelle Information größere Lernerfolge mit sich bringt. Häseler, Sönke; Schmucker, Stephan: Audiovisuelle Bildungsmedienformate und ihre Lernerfolge – eine Paneldatenstudie zum Nachmachen – In: Bildungsforschung 12 (2015) 1, S. 110f.).

Aber wie können Handlingvideos und Tutorials überhaupt gestaltet werden? Hier ein kurzer Überblick über die drei geläufigsten Produktionsarten:

1. Handling ‚live‘ präsentiert

Die einfachste Form einer filmischen Umsetzung ist der Dreh mit Trainer, der während der Vorführung die entscheidenden Punkte live erläutert – z.B. bei steute Technologies: Sei es der Heavy Duty Seilzug-Notschalter, der vor Ort ausgetauscht wird, oder die Systemintegration von elektronischen Schaltern die beispielhaft im Schulungsraum vorgeführt wird: Der Fachmann erläutert mit seinen Worten, was besonders wichtig ist, und zeigt parallel dazu die notwendigen Handgriffe.

Ach so, werden die Produkte international vertrieben und das Video in mehreren Sprachen benötigt? Kein Problem! Sprachfassungen können im Nachhinein adaptiert werden. Bei steute Technologies etwa sprach der Softwaretrainer die englische Erläuterung nachher im Studio selbst ein, seine englische Sprachspur wurde nicht-lippensynchron über den deutschen Film gelegt. Alternativ kann man Fremdsprachen professionell im Tonstudio oder einfacher durch einen sprachkundigen Kollegen einsprechen lassen.

2. Handling mit Erläuterung aus dem Off

Filme mit Off-Stimme gehen in der audiovisuellen Gestaltung noch einen Schritt weiter; denn hier sind Bild und Sprache zwei Kanäle, die erst im fertigen Film zusammenspielen. Und spätestens hier ist eine gute konzeptionelle Vorbereitung unerlässlich. Im ersten Schritt legt man im Drehbuch Text und Filmgeschehen fest. Dann macht man die Aufnahmen. Und erst im Schnitt wird die separat aufgenommene Sprachspur mit dem Szenenablauf verquickt.

Diese Umsetzungsform ist etwas aufwändiger zu produzieren, bietet aber gerade bei detailreichen Themen wie einer Möbelmontage den Vorteil, dass man sich visuell voll auf die Handgriffe und versteckten Kniffe konzentrieren kann. Beispiel gefällig? Die Einbaufilme „Festtür-Montage“ und „Umbau von Schlepptüre auf Festtüre" sind nicht amüsant und auch nicht bewegend. Aber sie leisten genau das, was gefordert ist: Tipps und Tricks verständlich und anschaulich vorführen! Dabei spielen Bild (Installation und grafische Einblendungen) und Ton (der auf das Wesentliche fokussierte Sprechertext) direkt ineinander. Mit Erfolg! „Festtür-Montage“ zählte trotz 10 Min. Länge schließlich über 400.000 Aufrufe.

3. Tutorials: Softwarenutzung im Screenrecording

Einwand: Handwerk kann man abfilmen, aber was ist mit Software? Die kann man nicht so recht mit der Kamera einfangen. Was macht man also mit komplizierten Software-Abläufen? Die Antwort lautet: Tutorials. Sie erläutern Step by Step, wie z.B. ein Registrierungs- oder Bearbeitungsprozess korrekt durchgeführt wird. Hier wird der Computer selbst zum Aufnahmegerät. In der Produktion spielt man den Ablauf einmal von A bis Z durch und zeichnet dabei das Monitorgeschehen mit einer speziellen Capture-Software auf. Dieses Screenrecording / Screencast wird in der Postproduktion mit dem Sprechertext verknüpft, danach wird das Recording passend eingekürzt oder beschleunigt, zudem werden Fokussierungen animiert (damit User erkennen, wohin sie überhaupt schauen sollen). Ein Beispiel für solche Tutorials ist „How To im Portal Miele MOVE". In der Basis befähigen erklärende Filme die Zuschauer, wie sie bestimmte Klippen erfolgreich bewältigen und erfolgreich zu sein.

Doppelter medialer Mehrwert

Beim Tutorial von Miele MOVE ist dem erläuterten Screenrecording ein Intro vorangestellt, das den Zweck des Produkts nahebringt. Und damit kommen wir zu einer weiteren Funktion, die Handlingvideos und Tutorials erfüllen. Indem sie zeigen, dass ein Vorgang real machbar ist und was dadurch möglich wird, arbeiten Tutorials gegen die Hemmung vor vermeintlich unüberwindlichen Problemen an.

So machen sie aus skeptischen Interessenten potenzielle Nutzer – und zwar nachhaltig, wie eine Studie des Instituts für Medien- und Kommunikationsforschung der Uni Mannheim bestätigt. Die fand in einem Experiment heraus, dass der damals untersuchte Erklärfilm „von den Zuschauer/inne/n sehr positiv bewertet wird, ihnen zahlreiche Impulse gibt und einen signifikanten Einfluss auf die Einstellung hat […]. Für die kurze Filmdauer von nur etwa 3 Min. bemerkenswerte Ergebnisse."

Fazit

Es stimmt, mit komplexen Installations- oder Anwendungsvorgängen bauen viele Produkte eine echte Hürde auf. Hier wirkt audiovisuelle Kommunikation gleich doppelt:

  • So funktioniert’s: Durch Befähigung der Zuschauer steigt der Anwendungserfolg, was zu sinkenden Reklamationszahlen / -kosten führt.
  • Ist doch ganz einfach: Und durch Entlastung der Zuschauer werden aus skeptischen Interessenten oft überhaupt erst potenzielle Nutzer.
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Frank Terpoorten

ist Berater und Konzeptioner für Unternehmens- und Produktfilm. Der gebürtige Niederrheiner Jahrgang 1972 studierte Literaturwissenschaft an der Uni Bielefeld und blieb danach der Region OWL treu. Nach einem Ausflug in die Welt der Werbeagenturen ist er seit 2000 für die Bielefelder Filmproduktion ams VIDEOGRAPH aktiv.