Audiomarkt 2023: Orientierungshilfe bei der Qual der Wahl

Laut ma Audio 2022 II zählen 94,1 % der deutschen Gesamtbevölkerung ab 14 Jahre zum Weitesten Hörerkreis (WHK) von Audiomedien. Das sind 66,4 Millionen Menschen und damit knapp 300.000 Menschen mehr als ein halbes Jahr zuvor. 75,7 % der Befragten in der ma Audio 2022 II gaben an, von montags bis freitags täglich Audiomedien zu nutzen. Das klassische Radio ist und bleibt mit einer Tagesreichweite von 75,4 % das meistgenutzte Audiomedium.
Bewegung im NRW-Radiomarkt
Im nordrhein-westfälischen Radiomarkt ist momentan vieles in Bewegung. Die NRW-Lokalradios und die WDR-Programme haben 2022 in der analogen terrestrischen Hörfunkverbreitung über UKW erstmals Konkurrenz bekommen. Die neu gegründete NRW Audio GmbH & Co.KG mit Sitz in Köln ist Ergebnis eines Verständigungsverfahrens, in dem die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) bei der Ausschreibung der so genannten 2. landesweiten UKW-Kette elf miteinander konkurrierende Bewerber zusammengeführt hatte. Einflussreichste Gesellschafter der NRW Audio sind Antenne Bayern und ffn aus Niedersachsen. Ob allerdings das Programm „NRW 1“ die erwarteten Marktanteile gewinnen kann, bleibt abzuwarten.
Seit November 2021 sind in Nordrhein-Westfalen 16 landesweite Programme über den digitalen terrestrischen Verbreitungsweg DABplus empfangbar. Auch hier ist noch unklar, welche Rolle diese Programme auf dem Hörer- und auf dem Werbemarkt zukünftig spielen werden, zumal das DABplus-Angebot für NRW noch längst nicht komplett ist. Die LfM plant, 2023 regionale DABplus-Bedeckungen auszuschreiben. Dann werden wahrscheinlich auch die marktführenden NRW-Lokalradios erstmals über DABplus zu hören sein. Die rechtlichen, technischen und finanziellen Rahmenbedingungen dafür sind aber in weiten Teilen noch ungeklärt.
Reformen bei den Lokalradios
Die schon in den vergangenen Jahren verschärfte Konkurrenzsituation, auch mit Blick auf Streamingdienste wie Spotify oder Apple Music, zwingt die NRW-Lokalradios zu Reformen. Das bewährte Zwei-Säulen-Modell, das die publizistische Verantwortung ehrenamtlich geführten Veranstaltergemeinschaften (VGen) überträgt und das wirtschaftliche Risiko mehrheitlich von Zeitungsverlagen getragenen Betriebsgesellschaften (BGen) zuschreibt, war bei der Gründung der Lokalradios in NRW vor mehr als 30 Jahren nicht für einen offenen Markt gedacht. Die wirtschaftliche Situation bei vielen NRW-Lokalradios ist angespannt. Dennoch steht das Zwei-Säulen-Modell grundsätzlich nicht in Frage. Allerdings gilt es bei einzelnen Regelungen des Landesmediengesetzes (LMG) und bei vielen vertraglichen Vereinbarungen zwischen den VGen, den BGen und dem Mantelprogrammanbieter radio NRW nachzusteuern, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben bzw. um überhaupt flächendeckend weiter existieren zu können.
In der eingetretenen Situation sind die Säulen der NRW-Lokalradios gut beraten, sich auf die Stärken und die Alleinstellungsmerkmale ihrer Radiomarken zu besinnen, nämlich auf die lokalen Inhalte und auf die vor Ort beliebten programmprägenden Persönlichkeiten.
Diese Stärken weiter zu stärken wird nur funktionieren, wenn die Lokalradios noch enger als bisher miteinander kooperieren und sich nicht gegenseitig als Konkurrenten betrachten. In dieser Hinsicht sind die Lokalradios in Ostwestfalen-Lippe schon seit Jahren Vorreiter für den gesamten NRW-Lokalfunk. Ein leuchtendes Beispiel bildet das gemeinsame Funkhaus in Bad Oeynhausen, in das Radio Herford und Radio Westfalica vor wenigen Tagen eingezogen sind.
Eine Herausforderung für die Lokalradios besteht darin, ihre bekannten Marken in die digitale Welt zu überführen. Dabei spielt Online Audio eine wichtige Rolle: Das Radiohören übers Internet, entweder über einen stationären PC oder über ein Smartphone, ein Tablet oder einen Smartspeaker wie zum Beispiel Amazon Alexa – oder auch über das internetfähige Autoradio. Neben der Liveübertragung des Radioprogramms ins Netz wird es ab 2023 auch zusätzliche Angebote im Online-Audiobereich geben. Bisher musste die Musikfarbe der NRW-Lokalradios so gestaltet werden, dass sie möglichst vielen Musikgeschmäckern gleichzeitig gerecht wurde. Idee ist es nun, das Wort- und Kernmusikprogramm der Lokalradios im Web mit unterschiedlichen Musikgenres wie z.B. Schlager oder Oldies anzureichern, um zukünftig auch jene Hörerinnen und Hörer zu gewinnen, die ihr Lokalprogramm wegen der Mainstream-Musik bisher gemieden haben. Der landesweite Privatsender FFH aus Hessen hat mit seinen „Plus-Angeboten“ vorgemacht, wie so etwas erfolgreich umgesetzt werden kann.
Audio On Demand im Trend
Auch der Trend zur Nutzung von „Audio On Demand“-Angeboten wird sich 2023 fortsetzen, denn der orts- und zeitunabhängige Konsum von Audios wie zum Beispiel Podcasts erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Doch auch auf dem Podcastmarkt ist das Angebot inzwischen so stark gewachsen, dass es kaum noch zu überblicken ist. Allein in Deutschland besteht derzeit schon die Qual der Wahl zwischen 63.000 Podcastserien. Tendenz steigend.
Den Hörerinnen und Hörern fällt es zunehmend schwer, qualitativ hochwertige Audioinhalte, die sie persönlich interessieren, zu finden. Sie benötigen Orientierung.
Hier setzt das Projekt „Yoyager“ an, das ams Radio & MediaSolutions (Bielefeld) gemeinsam mit der WDR-Mediagroup (Köln) und dem technischen Dienstleister 1pta (Köln) mit finanzieller Förderung der Landesanstalt für Medien NRW (LfM, Düsseldorf) und der Verwertungsgesellschaft Rundfunk (VGR, Wien) entwickelt. Grundidee ist eine offene Audioplattform, die qualitativ hochwertige Inhalte von Quellmedien aus verschiedenen Mediengattungen bündelt, kuratiert, auffindbar macht und entsprechend der Interessen der Nutzerinnen und Nutzer individualisiert ausspielt.
Ein erster Praxistest für ein solches innovatives Audioangebot ist mit der App „Vocca“ in Ostwestfalen-Lippe zum Jahresbeginn 2023 gestartet worden. Testuser sind herzlich willkommen!